Zeitschrift für Germanistik und Gegenwart

Maddalena Casarini

W/M wie Weidmann

Colettes Reportagen zum Spiegelbild der Monstrosität

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Wiener Digitale Revue 5 (2024)

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Abstract

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1937 wurde der mutmaßliche Serienmörder Eugen Weidmann in der Nähe von Paris verhaftet. Dass ein junger, gutaussehender Mann sich wegen nichtiger Geldmotive grausamer Taten schuldig machen konnte, empfand die Öffentlichkeit als beunruhigend. Schnell bezeichnete ihn die Presse als ‚monstre‘. Als der Weidmann-Prozess im Frühjahr 1939 begann, waren die berühmtesten Gerichtsreporter der Zeit anwesend, darunter die Reporterin Sidonie-Gabrielle Colette (1873–1954), deren Reportagen im Paris-Soir dieser Beitrag in den Blick nimmt. Der Beitrag untersucht die rhetorischen Strategien ihre poetische Sprache im Wettbewerb mit jener der Sensationspresse einerseits und der Bildberichterstattung andererseits. Es wird gezeigt, dass sich Colette der Sprache und der Semantik der Sensationspresse bediente, um eine Verschiebung der Perspektive zu bewirken und dadurch am Rechtsgefühl ihrer Leserschaft zu arbeiten.

In 1937, the suspected serial killer Eugen Weidmann was arrested near Paris. The public found it disturbing that a young, handsome man could be guilty of such horrific offenses for petty financial motives. The press labeled him a ‘monstre.’ When the Weidmann trial began in the spring of 1939, the most famous court reporters of the time were present, including Sidonie-Gabrielle Colette (1873-1954). This article examines Colette's court reports in Paris-Soir. Exploring the rhetorical strategies that enabled her poetic language to gain a unique perspective in competition with that of the sensationalist press on the one hand and photo reporting on the other, the article highlights how Colette exploited the language and semantics of the sensationalist press to bring about a shift in perspective and to influence her readers’ sense of justice.

Volltext

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1. Ein schönes Gesicht in der Zeitung

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Die Magnesiumblitze der Fotografen erhellten den Gerichtsaal von Versailles, als im März 1939 der Sensationsprozess gegen den deutschen Serienmörder Eugen Weidmann und seine drei Komplizen begann. Doch war die französische Öffentlichkeit mit dem Gesicht des Hauptangeklagten schon längst vertraut. Die ersten Fotografien Weidmanns wurden bei seiner Festnahme im Dezember 1937 in der Presse veröffentlicht. In den Bildern trug der Verhaftete einen Verband um das Gesicht (Abb. 1) – eine Spur des heftigen Hammerschlags, den ihm ein Polizist auf den Kopf verpasst hatte (vgl. Petit 1937: 3). Die Faszination, die diese Fotografien auf die Öffentlichkeit ausübten, sollte ein anderer Häftling, Jean Genet, am Anfang seines Romans Notre-Dame-des-Fleurs (1943) beschreiben:

Weidmann, den Kopf in schmale, weiße Bänder gehüllt, als Nonne und als verletzter, zwischen Roggenähren gestürzter Flieger, erschien Euch in einer Fünf-Uhr-Ausgabe [...]. Sein schönes, von Maschinen vervielfältigtes Gesicht ging über Paris und Frankreich nieder, gelangte bis in den hintersten Winkel vergessener Dörfer, in Schlösser und Hütten, und offenbarte den bekümmerten Bürgern, daß es bezaubernde Mörder gibt, die ihren Alltag streifen, hinterhältig aufgezogen für ihren Schlaf, den sie, unter Benutzung einer Dienstbotentreppe — sie ist im Einverständnis mit ihnen und knarrt nicht — durchqueren. Unter seinem Bild glänzten wie Morgenröte seine Verbrechen: Mord Nummer 1, Mord Nummer 2, Mord Nummer 3, — bis zu sechs verkündeten sie seinen geheimen Ruhm und bereiteten sie seinen künftigen Ruhm vor. (Genet 1994 [1943]: 7. Übers. Gerhard Hock)
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Als Genet diese Zeilen schrieb, war er dem Publikum noch unbekannt. Aber auch berühmte Persönlichkeiten der Zeit interessierten sich für den vermeintlichen Serienmörder, unter anderen die Autorin und Journalistin Sidonie-Gabrielle Colette (1873–1954). Colette verfolgte nicht nur die Verhaftung Weidmanns, sondern schrieb über den Prozess gegen ihn eine Serie von Reportagen – genauer genommen: von impressions d’audience – in der Zeitung Paris-Soir. Nach einer historischen Kontextualisierung der massenmedialen Konstruktion des ‚Monsters‘ Weidmann nimmt der vorliegende Beitrag diese Reportagenserie in den Blick. Denn Colettes literarischer – oder auch: poetischer – Journalismus zielte nicht bloß darauf ab, die Neugierde der Leserschaft zu befriedigen, sondern nutzte einige Freiräume der massenmedialen Kommunikation, um eine neue Perspektive auf den Angeklagten zu eröffnen und zudem am Rechtsgefühl der Leserschaft zu arbeiten.

2. Weidmanns Karriere in der Medienhölle

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Als die französischen Zeitungen damit begannen, sich für ihn zu interessieren, hatte Eugen Weidmann bereits den Lebenslauf eines „gefährlichen Individuums“ (Foucault 1994 [1978]: 454). Er wurde 1908 in Frankfurt am Main geboren und in sehr jungen Jahren mit Einrichtungen des Strafvollzugs vertraut gemacht, denn seine Eltern steckten ihn nach einigen Diebstählen in eine Besserungsanstalt (vgl. London 1939a: 3).1 Von diesem Zeitpunkt an war sein Leben geprägt von wechselnden Inhaftierungen und Gesetzeswidrigkeiten, vor allem von Diebstählen und Einbrüchen. 1924 reiste Weidmann nach Kanada, doch auch dort wurde er wegen Diebstahls verhaftet und ausgewiesen. Nach einer erneuten Verurteilung in Frankfurt verbrachte er fünf Jahre und acht Monate in der Strafanstalt von Preungesheim, wo er als Gefängnisbibliothekar tätig war. Ungebildet wirkte Weidmann übrigens nicht: Er sprach gut Englisch und drückte sich in einem fast akzentfreien Französisch auf elegante Weise aus. Im Preungesheim freundete er sich mit politischen Häftlingen an, die ihm nach seiner Entlassung dabei halfen, illegal nach Frankreich einzureisen. Weidmann lernte in Paris seine künftigen Komplizen kennen: Roger Million, Jean Blanc und Colette Tricot. Mit ihrer Hilfe mietete er die Villa La Voulzie in Celle-Saint-Cloud an, im Arrondissement von Versailles, angeblich mit dem Ziel, sich dem Handel von Schönheitsprodukten zu widmen (vgl. François 1939: 4). Doch begann er, durch Zeitungsinserate Opfer anzulocken und zu entführen, um sie auszurauben und schließlich zu ermorden. Der Fall, der das größte Aufsehen erregte, war der Mord an der jungen amerikanischen Tänzerin Jean de Koven, die zu Besuch bei ihrer Tante in Paris war. Weidmann hatte das Vertrauen der jungen Frau gewonnen, sie zu sich gebracht und dann erwürgt, bloß um in den Besitz ihrer Geldbörse zu gelangen. Dass er diesen und andere vier Morde bereits bei der ersten polizeilichen Vernehmung gestand, brachte ihm in der französischen Presse schnell den Ruf eines „monstre“ ein (o.V. 1937a: 1).

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Drei Faktoren mögen dazu beigetragen haben, dass die Weidmann-Affäre und der daraus resultierende Prozess die Öffentlichkeit stark beschäftigten. Der erste Aspekt war die aufsehenerregende Anzahl und die Grausamkeit der Morde in Verbindung mit der Nichtigkeit der Motive (vgl. Robin 1937: 1). Dieser unerklärliche Kontrast führte dazu, dass Weidmann von der Presse in eine bestimmte Kategorie eingeordnet wurde, in jene des „Sittlichkeitsmonsters“ („monstre moral“) (Foucault 1999: 75), die bereits seit dem Ende des 19. Jahrhundert (vgl. ebd.) einen prominenten Platz in der psychiatrischen und massenmedialen Darstellung des Kriminellen eingenommen hatte. Der monstre moral galt laut Michel Foucault als „Verständlichkeitsprinzip aller Formen der Abnormität“ („principe d’intelligibilité de toutes les formes [...] de l’anomalie“) (ebd.: 52). Subsumiert unter die Kategorie des nicht Kategorisierbaren, des Über- und zugleich Untermenschen, wiesen vermeintliche Sittlichkeitsmonster bestimmte Familienähnlichkeiten auf. So wurde der Fall Weidmann von Anfang an mit jenem des Serienmörders Henri-Désiré Landru, des sogenannten Barbe-Bleu von Gambas, in Verbindung gebracht (vgl. o.V. 1937a: 1). Landru, der im Jahr 1922 hingerichtet wurde, hatte zahlreiche Frauen durch Heiratsinserate kennengelernt und mindestens zehn von ihnen umgebracht. Die Anlockung der Opfer durch Zeitungsanzeigen, die Villa außerhalb der Stadt, die Ungerührtheit im Prozess: All diese Elemente spielten auch in der Weidmann-Affäre eine Rolle. Weidmann wurde sogar in dieselbe Zelle wie Landru eingesperrt, nämlich die Zelle 3 des Gefängnisses von Versailles (vgl. o.V. 1937b: 3); er wurde von derselben cour d’assises verurteilt und – genauso wie Landru – vom berühmten Rechtsanwalt Moro-Giaffieri verteidigt. Die Bezeichnungen monstre oder tueur wurden von der Presse antonomastisch oder als Epitheta (vgl. Bianchi 2018: 13) verwendet, manchmal mit, manchmal ohne Anführungszeichen. Dabei kann nicht übersehen werden, dass derartige ‚Monster‘ von Zeitungen und Zeitschriften gut verwertbar waren. Nicolas Bianchi hat gezeigt, wie sich die Wochenzeitschrift Détective durch die intensive Beschäftigung mit dem Fall Weidmann im Feld der Kriminalpresse profilieren konnte (vgl. ebd.: 8).

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Ein zweiter Grund für das starke öffentliche Interesse am Fall Weidmann könnte seine deutsche Herkunft gewesen sein (vgl. ebd.: 14–17). Der Psychiater Gilbert Robin stufte Weidmann nicht nur als „geborenen Verbrecher“ („criminel-né“) im Sinne Lombrosos ein, sondern bemerkte in demselben Artikel aus Le Journal: „Wir sind froh, dass Weidmann kein Franzose ist. Aber wir hätten es besser gefunden, wenn er nicht über unsere Grenzen gekommen wäre und keine französischen Opfer gefordert hätte. [...] Alle Grenzen müssen bewacht werden. Jene des menschlichen Individuums sowie jene unseres Landes“ (Robin 1937: 1).2 Der Fall Weidmann rief nicht nur den Fall Landru in Erinnerung, sondern auch jene von Fritz Haarmann in Hannover und von Peter Kürten in Düsseldorf (vgl. Bianchi 2018: 16). Nun mahnten die Zeitungen, bei Weidmann handle es sich um einen weiteren Fall eines ‚perversen‘ Deutschen, wobei nahegelegt wurde, der deutsche Mörder stehe synekdochisch für das deutsche Volk, das durch die Machtübernahme Hitlers zu einem unheimlichen Nachbar geworden war (vgl. t’Serstevens 1939: 3). International bekannt war auch Fritz Langs Erfolgsfilm M (1931), dem die Geschichten der Serienmörder Haarmann und Kürten als Inspirationsquelle gedient hatten. In Langs Film ist der Buchstabe ‚M‘ das Kennzeichen für den ,Mörder‘: Das ‚M‘ wird von einem aufmerksamen Bettler auf den Mantel Hans Beckerts (Peter Lorre) mit Kreide gezeichnet, um den sonst unauffälligen Bürger als den gesuchten Mörder identifizierbar zu machen. Sichtbare körperliche Merkmale, die den Mörder als ‚geborenen Verbrechen‘ eindeutig einstufbar machten, wies Weidmann schließlich genauso wenig auf wie die Mörderfigur in Fritz Langs Film. Um das anatomisch Unsichtbare zu erforschen, wurde die Graphologie befragt, und auch hier diente ein Anfangsbuchstabe zur Identifikation des Mörders. In einem Zeitungsartikel wurde beobachtet, dass gerade der Anfangsbuchstabe von Weidmanns Unterschrift seine gefährliche Persönlichkeit verrate:

Der erste Buchstabe der Unterschrift symbolisiert die Vorstellung, die sich der Schreiber von der eigenen Person in Bezug auf das soziale Milieu macht. Ist dieser erste Buchstabe mit den anderen Buchstaben verbunden? Je größer der Abstand zwischen diesem ersten und dem darauffolgenden Buchstaben ist, desto heftiger bricht der Schreiber mit dem sozialen Milieu. Jetzt schauen Sie sich dieses ‚W‘ an, dem eine große Leerstelle folgt. Der Mensch, der dies gezeichnet hat, ist in seinem Stolz isoliert. Er ist ein einsamer Wolf. Gibt es Chancen, dass er vielleicht in seiner Höhle bleiben könnte, mehr oder weniger harmlos, wie so viele stolze Menschen? Nein. Beobachten Sie nun diesen kurzen, schrägen Strich, der ausschließlich das ‚W‘ unterstreicht: Wenn dieser Strich in allen Unterschriften [Weidmanns, M.C.] zu finden ist, [...] dann kann er als jener „Strich des Angreifers“ gelten, der vom Doktor Paul Carton so gut beschrieben wurde. (de Vignes Rouges 1937: 1)
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Als monströser Fremder, als Mischform von Mensch und Tier schien „W“ als Kandidat für die veuve, die Guillotine, leicht identifizierbar zu sein, und zwar bereits einige Monate vor dem Gerichtsverfahren. Als sein Prozess begann, hatte die Presse das Todesurteil schon gefällt.

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Es gibt schließlich einen dritten Faktor, der die zum Teil zynischen Verkaufsstrategien der Presse mit dem Ruhm Weidmanns verschränkte. Obwohl Weidmann bloß der Letzte einer langen Serie berühmter Sittlichkeitsmonster war, besaß er bestimmte Eigenschaften, die zu den zeitgenössischen medientechnischen Entwicklungen besonders gut passten. Seit der Jahrhundertwende begleiteten fotografische Berichterstattungen immer häufiger Sensationsprozesse. Fotografien und Tonaufzeichnungen waren Ende der Dreißiger Jahre bei Assisengerichten noch nicht verboten – dafür musste man das Gesetz von 1954 abwarten (vgl. Picard 2012: 145). Die fotografische Bildberichterstattung war somit wenig geregelt und doch sehr begehrt. Dass dieses Begehren nach Fotografien in Weidmann den idealen Gegenstand fand, lag nicht zuletzt daran, dass er als ein gutaussehender Mann galt. So erklärte sich der Reporter Max Massot trotz seiner Erfahrung im Gebiet des Kriminaljournalismus bei der Begegnung mit Weidmann überrascht: „Haben Sie amerikanische Filme gesehen? Ja. Der ideale Liebhaber hat schwarzes Haar, einen sonnengebräunten Teint, regelmäßige Gesichtszüge, die aber nicht so hübsch sind, dass sie nicht männlich wirken [...]. Gut, ich muss leider sagen, dass Weidmann auf den ersten Blick ganz und gar diesem Porträt entspricht“ (Massot 1937: 1). Nichts schien geeigneter als die Physiognomie eines Hollywood-Schauspielers, um einen Verbrecher durch die technische Reproduktion seiner Schönheit zu einer Art Popstar zu machen (vgl. Marcandier 2018: 10) und die Hybristophilie der Masse anzuregen.3 Der Gerichtsreporter Géo London bezeichnete spöttisch die Zuschauerinnen, die ungeduldig und vorfreudig auf den ersten Verhandlungstag warteten, als „die Walküren dieses blutigen Siegfrieds“ („Walkyries de ce Siegfried sanglant“) (London 1939a: 1), oder auch als „Weidmann girls“ (London 1939b: 1; vgl. Picard 2012: 153). Dass der Angeklagte einen gefährlichen „sexe appeal“ [sic!] hatte, der das weibliche Publikum von eleganten Damen („élégantes“) verführen konnte (London 1939a: 1), gehörte schon seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu den Topoi der Debatte über die Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen (vgl. Chabrier 2022: 239–241; Chauvaud 2007: 128–138). Was sich ein Jahrhundert später geändert hatte, waren die technischen Möglichkeiten, erotische Ausstrahlung medial zu reproduzieren. Weidmanns fotogene Physiognomie war zu diesem Zweck geradezu prädestiniert.

3. Colettes impressions d’audience

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Géo Londons Beschreibung des Verhaltens der „Weidmann girls“ zu Beginn des Prozesses war nicht frei von Ambiguität: „Einige dieser verrückten und lächerlichen Bewunderinnen [Weidmanns, M.C.] haben es gestern geschafft, sich bis in die Pressebänke zu schleichen“ (London 1939b: 1). Was zunächst als eine bloß amüsante Anekdote erscheinen mag, warf ein zweideutiges Licht auf Londons Kolleginnen. Denn wenn das weibliche Geschlecht durch die erotische Ausstrahlung Weidmanns so leicht verführbar war, wie konnten dann die Journalistinnen davon ausgenommen sein? Wie konnte man eine Reporterin von den verrückten Fans in den Pressenbänken unterscheiden? Obwohl sich auch einige Frauen seit dem Dreyfus-Prozess als Gerichtsreporterinnen betätigten (vgl. Thérenty 2019: 151f.), war dies am Ende der 1930er Jahre immer noch vornehmlich ein Männerberuf. Dasselbe galt für die juristischen Ämter: Die magistrature blieb bis 1946 für Frauen gesperrt (vgl. Boigeol 2002: 363f.), denn die weibliche Urteilskraft stand unter Verdacht, zu leicht beeindruckbar und unzuverlässig zu sein. Rechtsanwältinnen wurden hingegen in Frankreich schon seit 1900 zugelassen (vgl. ebd.), und tatsächlich gehörte zu den Verteidigern Weidmanns auch die Anwältin Renée Jardin, deren Verhältnis zu ihrem Klienten von den Zeitungen stets beobachtet und kommentiert wurde (z.B.: vgl. London 1937: 3).

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Trotz der spärlichen Präsenz von Gerichtsjournalistinnen in den französischen Gerichtssälen hatte sich die Romanautorin Sidonie-Gabrielle Colette zwischen den 1910er und den 1930er Jahren mit wenigen und doch erfolgreichen Gerichtsreportagen ein gewisses Ansehen in diesem Gebiet geschaffen. Colette, die im Laufe ihres Lebens als chroniqueuse und Theaterkritikerin für die größten Tageszeitungen Frankreichs arbeitete, war nie als Gerichtsreporterin im engeren Sinne tätig – als „tribunalier“ (Chauvaud 2010: 82) –, sondern vielmehr als impressionniste. Die impressions d’audience hatten sich am Ende des 19. Jahrhunderts als eine Untergattung der Gerichtsberichterstattung etabliert, die Dramatikern und Schriftstellern vorbehalten war (vgl. Bernard 1899: 1; Thérenty 2019: 153; Chabrier 2022: 249–253). Bei größeren Prozessen veröffentlichten die Zeitungen nicht nur ausführliche comptes rendus, die der Leserschaft die Verhandlungen in genauen, manchmal trockenen Details schilderten, sondern auch literarische Artikel, die allgemeinere Eindrücke von der Atmosphäre des Prozesses und der Persönlichkeit des Angeklagten vermittelten; und auch weibliche Autorinnen wurden seit der Jahrhundertwende aufgrund ihrer juristischen Laienhaftigkeit und ihrer vermeintlichen Beeindruckbarkeit (impressionnabilité) für besonders geeignet gehalten, um impressions d’audience zu verfassen (vgl. Chabrier 2022: 251; Thérenty 2019: 256f.). Im Laufe der Jahre hatte Colette über prominente Prozesse geschrieben wie jenen der Bande à Bonnot (1913); den Prozess gegen die 19-jährigen Violette Nozière (1934); oder auch den Prozess Oum-el-Hassen in Fez (1938). Den Höhepunkt ihre Karriere als Impressionistin bildete ihr Artikel zur Landru-Affäre (1921), der als Vorbild für jüngere Generationen von Gerichtsreportern diente (vgl. Chabrier 2018: 586–587). Mit dem Weidmann-Prozess schrieb die 66-jährige Reporterin ihre letzten impressions d’audience (Abb. 3).

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Die Forschung hat Colettes Prozessberichte über den Fall Weidmann unterschiedlich gelesen. Für Nicolas Bianchi erlag die Reporterin derselben erotischen Faszination wie jene Frauen, die bei der Hinrichtung Weidmanns ihre Taschentücher in sein Blut tauchen wollten (vgl. Bianchi 2018: 1f.). Amélie Chabrier hingegen sieht Colettes Anliegen insgesamt in einer antisensationalistischen Berichterstattung, die „den Menschen hinter dem Monster zeigen möchte“ („montrer l’humain derrière le monstre“) und von einem Wahrheitsanspruch geleitet ist (Chabrier 2018: 589). Es stellt sich also die Frage, ob sich Colette mit ihren Artikeln über diesen Fall an der Vermarktung der Sensationen beteiligte oder sich ihr vielmehr widersetzte.

4. Die Suggestion einer dramatischen Entwicklung

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Unmittelbar nach Weidmanns Verhaftung hatte Colette einen Artikel über ihn für Le Journal geschrieben mit dem Titel Assassins. À propos de Weidmann qui tuait les hommes et aimait les roses, in dem sie eine Art criminal profiling des Serienmörders skizzierte (Colette 1937: 1).4 Zwischen dem 11. März 1939 und dem 2. April 1939 berichtete sie für die Zeitung Paris-Soir in einer Reihe von sechs Artikeln über den Prozess gegen Weidmann und seine Komplizen. Das Publikum kannte die Reporterin unter anderem durch die zahlreichen Theaterrezensionen, die sie in jenen Jahren regelmäßig veröffentlichte (vgl. Ducrey 2018: 283). Die Tatsache, dass Paris-Soir ausgerechnet eine bekannte Autorin und Theaterkritikerin mit den impressions d’audience des Prozesses beauftragte, sollte wahrscheinlich dem Publikum suggerieren, dass ein spektakuläres Gerichtsverfahren zu erwarten sei. Schließlich stand das Todesurteil für den geständigen Angeklagten Weidmann außer Frage.

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Auf den ersten Blick schien Colette ihre journalistische Aufgabe auf die zu erwartende Weise zu erfüllen, mit Artikeln, die auf eine Dramatisierung des Prozesses abzielten und die gleichen Verkaufsstrategien verfolgten, wie sie auch in der üblichen Sensationspresse zu beobachten waren. So übernahm sie von Anfang an den Begriff des monstre und verwendete ihn als paradoxe Kategorie, um das Nicht-Klassifizierbare zu klassifizieren und das Abnorme zu normalisieren: „Trotz seines Namens ist ein Monster nie einzigartig“ (Colette 1939a: 4). Wie andere Journalisten verglich auch sie den Angeklagten mit weiteren Serienmördern – wie Patrik Mahon und Hénri-Désiré Landru (vgl. ebd.) – und schien damit die radikale Alterität dieser Gruppe von Monstern gegenüber dem Rest der Menschheit unterstreichen zu wollen. ‚Sie‘ seien anders als ,wir‘, für ,uns‘ sei es unmöglich, ,sie‘ zu verstehen: „Ladru, Mahon Weidmann... sie alle sind für unseren Verstand nicht greifbar“ (ebd.). Sprach der oben erwähnte, graphologisch argumentierende Zeitungsartikel von Weidmann als einem Tier, genauer einem gefährlichen „einsamen Wolf“, betonte auch Colette die Naturverbundenheit dieser Gruppe von ‚Monstern‘. Besonders kennzeichnend schien ihr Weidmanns vermeintliche Wildheit, weshalb sie unterstrich, wie liebevoll er mit Tieren spielte oder Rosenbüsche dort pflanzte, wo sein Opfer Jean de Koven begraben lag ( vgl. ebd.).

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Auch Colettes Artikel nahmen – genauso wie diejenigen anderer Journalisten – auf ein unheimliches Bild Deutschlands Bezug: Um die langwierigen Verhandlungstage für die Leserschaft spannender zu gestalten, bezeichnete sie den Angeklagten als die „vedette“ (im Sinne von ‚Star‘ oder ‚Hauptschauspieler‘) des Prozesses und griff dabei auf einen bekannten expressionistischen Film zurück:

Der Star [des Prozesses: Weidmann, M.C.] antwortet mit einer kaum hörbaren Stimme. Er gibt fünf, sechs Verbrechen zu, dann schließt er seine langen, mit vielen Wimpern bestückten Augenlider wieder. Wem sieht er mit so geschlossenen Augen ähnlich? Das Lächeln eines Somnambulen auf seiner schläfrigen Maske klärt mich plötzlich auf: Er sieht wie ein feinerer Bruder von ‚Cesare‘ aus, dem Vampir, der in ‚Dr. Caligari‘ mit einem Mondstrahl hereinkommt, um eine in weiße Tücher gewickelte junge Frau zu überfallen und zu entführen. (Colette 1939b: 4)
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Der Verweis auf Robert Wienes Film Das Cabinet des Dr. Caligari (1920) diente offensichtlich dazu, die schaurige Atmosphäre des Prozesses aufrechtzuerhalten. Tatsächlich war die Gattung der impressions d’audience darauf angelegt, Skizzen, Fotografien und Filmbilder zu mobilisieren, um den Blick der gierigen, aber im Gerichtsaal nicht anwesenden Leserschaft mit visuellen Eindrücken zu befriedigen. Colettes impressions wurden meistens von Bildporträts des Angeklagten begleitet. Bei dem eben zitierten Artikel zeigten Henri-Paul Gassiers croquis d’audience (‚Gerichtsskizzen‘) den Angeklagten Weidmann mit geschlossenen Augen (Abb. 4). Als gefährlicher, deutscher Somnambul hatte Weidmann bessere Chancen, interessant zu wirken, auch wenn er nichts Neues sagte. Mit einem Augenzwinkern verwies Colette immer wieder auf die Notwendigkeit, die Neugierde aufrechtzuerhalten: „[W]ir ertragen lieber das Schreckliche als das Langweilige“, schrieb sie, als der Verhandlungstag besonders träge verlief (Colette 1939c: 6).

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Die erotische Ausstrahlung Weidmanns wurde von Colette an verschiedenen Stellen thematisiert. Als Autorin des Erfolgsromans Chéri (1920) und aufgrund ihres glamourösen Liebeslebens galt sie als Expertin auf dem Gebiet der Erotik. Immer wieder suchte sie in Weidmanns Aussehen oder auch in seiner Stimme eine außergewöhnliche Verführungs- und Überzeugungskraft (vgl. Colette 1939d: 4): Die Öffentlichkeit erwartete, ja verlangte dies von einem Mann, der in der Lage war, so viele Opfer in den Tod zu locken. Colette bestätigte die Sinnlichkeit, die Weidmann ausstrahlte, ohne Weidmanns letztlich wenig interessantes Liebesleben zu verschweigen (vgl. ebd.). Um dem vermeintlichen Monster auf die Spur zu kommen, nutzte sie ihr Frauennetzwerk: So tauschte sie sich mit Weidmanns Rechtsanwältin Renée Jardin aus und informierte das Publikum über die Eindrücke der Verteidigerin (vgl. ebd.; Colette 1939c: 6). Auf diese Weise schien Colette darauf zu achten, all jene Aspekte zu behandeln, für die sich die Öffentlichkeit interessierte, nicht zuletzt Weidmanns Hände, die in der Presse stets beschrieben und kommentiert wurden (vgl. ebd.; Colette 1939b: 4). Doch auf der Suche nach dem Schrecklichen betonte die Reporterin immer wieder, wie schwer es sei, es bei Weidmann zu finden.

5. Das moralische Aufwachen eines vermeintlichen Monsters

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Wenn Colettes Artikelserie auf den ersten Blick den Eindruck erweckt, die Journalistin wolle mit ihren impressions nur die Sensationslust des Publikums anheizen, so zeigt sich bei einer genaueren Lektüre, dass sie eigentlich mit der Erwartung der Leserschaft spielte. Jener Teil der Leserschaft, der Colette seit Jahren folgte und einige ihrer Feuilletonartikel oder ihrer Romane gelesen hatte, wusste sehr wohl, dass sie seit ihrer Beschäftigung mit der Landru-Affäre das Thema der Monstrosität zu einem poetischen Schwerpunkt gemacht hatte. Valentine Leÿs spricht in diesem Zusammenhang von einem „Monsterzyklus“ („cycle du monstrueux“) (Leÿs 2004: Abs. 48), einer Reihe von Texten, die sich mit Fragen von Identität und Alterität, juristischer und moralischer Schuld sowie mit unterschiedlichen Sittlichkeitsvorstellungen und Geschlechterhierarchien auseinandersetzen (vgl. ebd.: Abs. 16). In dem autofiktionalen Roman La Naissance du Jour (1928) beispielsweise beschrieb Colette sich selbst mit genau denselben Worten, mit denen sie in einem Feuilletonartikel den Serienmörder Landru gekennzeichnet hatte. Die enge Verbundenheit mit der Tierwelt, die furchterregende Unschuld („affreuse innocence“) (Colette 1924: 1; Colette 1991 [1928]: 303), das instinktive Handeln: All dies waren Eigenschaften, die sie dem Serienmörder sowie sich selbst zuschrieb (vgl. Leÿs 2004: abs. 28). Wie Leÿs zeigen konnte, dient die Monstersemantik bei Colette einer Dialektik zwischen Identität und Alterität und weist nicht nur auf eine Verschmelzung von Mensch und Tier hin, sondern auch auf vermeintlich abwegige sexuelle Orientierungen wie die Homosexualität, die aber positiv konnotiert werden (vgl. ebd.: Abs. 31–49).5 So verwendete Colette in Le Pur et l’Impur (1932), in dem sie das ihr vertraute homosexuelle Milieu beschrieb, den Monster-Begriff im positiven Sinne: „Oh Monster, lasst mich bitte nicht allein... [...] ihr seid das Menschlichste, das Beruhigendste, was ich auf der Welt kenne... Wenn ich euch ,Monster‘ nenne, wie werde ich dann das nennen, was man mir als normal zumutet?“ (Colette 1991 [1932]: 368f.; vgl. Leÿs 2004: Abs. 45). Jahrzehntelang übernahm Colette in ihren Texten die Perspektive derjenigen, die von der bürgerlichen Gesellschaft ausgeschlossen wurden: von Varietätskünstlern, wilden Tieren, berühmten Mördern. Verachtung zeigte sie hingegen für jene ‚kleinen Mörder‘, die wegen des Geldes oder ihres bürgerlichen Rufs zu töten bereit waren. Ein Beispiel ist der Fall von Louis-Paul Dervaux, der seine Frau umbrachte, um den eigenen Ruf zu schützen, und den Colette verächtlich als „einen normalen Menschen“ („un homme normal“) bezeichnet: „ein Mörder, ja, aber zahlungsfähig“ („Assassin, oui, mais solvable“) (Colette 1923: 4).

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Da Colette Weidmann der gleichen Gruppe von Monstern wie Landru zuordnete, wusste ihre Leserschaft, dass sie damit eine gewisse Ähnlichkeit mit sich selbst andeutete. Durch ihre Dialogues de bêtes, ihre Pantomimen als Katze und die Prosatexte in Prisons et Paradis hatte die Autorin wiederholt die eigene Verbindung zur Tierwelt betont: Colette schrieb im Sinne einer Poetik der sauvagerie (vgl. Pinque 2023: 207f.). Die Vermutung, dass sich auch Weidmann in einen Schriftsteller umwandeln könnte, legte die Reporterin nah, als sie in ihren Artikeln bedauerte, dass man ihm im Gefängnis nichts zu schreiben gegeben habe: „Die Gerichtsverhandlung wird Weidmann nicht verstehen können: Denn der Knast hat ihm systematisch jegliches Mittel vorenthalten, sich uns kenntlich zu machen, indem man ihm jegliche Beschäftigung, das Lesen und – vor allem – das Schreiben verweigert hat“ (Colette 1939a: 4). Das Schreibverbot schien ihr Teil eines Normalisierungsprogramms der Strafinstitution zu sein: Die Monster sollten ihre Kraft verlieren und nur noch als schläfrige Wesen vor die Öffentlichkeit treten (vgl. ebd.).

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Colette spielte somit ein doppeltes Spiel, und das nicht nur, weil sie, obwohl ihre Artikel ständig auf der Suche nach sensationellen Entwicklungen zu sein scheinen, in Wirklichkeit die Trägheit und die Langeweile des Prozesses stets betonte und damit eine antisensationalistische Gerichtsberichterstattung betrieb, wie Chabrier beobachtet hat (vgl. Chabrier 2018: 583f.). Die Reporterin wartete nicht auf grausame oder besonders blutige Geständnisse Weidmanns, sondern vielmehr auf das Erwachen des Somnambulen. Ab dem dritten Verhandlungstag begann sie, Weidmanns „moralischen Ruck“ („sursaut moral“) (Colette 1939d: 4) zu beschreiben. Der plötzliche Wandel Weidmanns, der von den Gerichtsskizzen sichtbargemacht wurde, die Colettes impressions begleiteten (Abb. 5), vollzog sich in mehreren Etappen.

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Gestanden hatte Weidmann bereits im Laufe des ersten Polizeiverhörs. Während des Prozesses gab er nochmals die Morde zu, wenn auch ohne emotionale Beteiligung (vgl. Colette 1939b: 4). In dem Moment, da seine Anwälte versuchten, einen mysteriösen Komplizen ins Spiel zu bringen, der Weidmanns Verantwortung eventuell relativieren könnte, wachte der Angeklagte plötzlich auf und widersetzte sich seiner eigenen Verteidigung: „Nein, nein, ich bin mir ganz sicher, dass ich es war, der Frommer getötet hat“ (Colette 1939c: 6). Weidmanns Erwachen hatte damit begonnen.

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In den letzten beiden Artikeln aus Colettes Serie beschreibt die Autorin eine Verschiebung („glissement“) ihrer eigenen Meinung über den Angeklagten (Colette 1939f: 3). Bedenkt man, dass sie sich auch in anderen Texten oft auf die Seite ihrer ‚Monster‘ stellte, könnte man in diesem Perspektivwechsel eine durchdachte Inszenierung vermuten. Wahrscheinlich durfte die Reporterin aus der Argumentationslinie der Zeitung nicht zu explizit herausfallen. Der vorletzte Artikel der Serie, La véritable évasion de Weidmann („Weidmanns eigentliche Flucht“) vom 19. März 1939, stellt Weidmanns „moralischen Ruck “, man könnte auch sagen: ethischen Wandel, ins Zentrum (Colette 1939e: 4). Die Skizze, die ihren Text begleitet, verstärkt den Eindruck einer veränderten Haltung des Angeklagten (Abb. 6).

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Die Reporterin beginnt ihren Artikel mit einer Art captatio benevolentiae, in der sie versucht, das Irritationspotential ihrer Überlegungen präventiv zu dämpfen:

Ich hoffe, dass man dies, was ich im Folgenden schreibe, nicht missversteht. Natürlich bleibt Weidmann, der mit Verbrechen beladen ist, abscheulich. Die Justiz kann nichts Düstereres als ihn zu beurteilen haben. Kein Zufall kann mehr seine Hinrichtung verhindern oder verzögen. Davon scheint er als Erster überzeugt zu sein [...]. Doch hat diese eigentümliche Perspektive, jene einer baldigen Loslösung von den irdischen Dingen, die – wie Weidmann zu gut weiß – in wenigen Tagen zu Ende sein werden, einen Menschen entstehen lassen. Mein Beruf als Schriftstellerin besteht nicht darin, eine Person zu beschimpfen, die alle Umstände und sein eigenes Geständnis schuldig sprechen, sondern darin, das menschliche Drama zu entlarven, wo auch immer es aufblitzt. Ich würde lieber das Schreiben aufgeben, statt leichtfertig über dieses pathetische Publikum hinwegzuschauen und zu verschweigen, dass ein Mörder selten [...] so sehr auf die gewissenhafte Wahrheit bedacht war wie der gestrige Weidmann. (Colette 1939e: 4)
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Den Moment, in dem Weidmann nicht nur seine Taten noch einmal öffentlich gesteht, sondern auch zusammenbricht und zu weinen beginnt, bezeichnet Colette als seine „Flucht“ oder seinen „[Gefängnis]ausbruch“ („Évasion“):

Wir habe den Eindruck gehabt, einen Mann zu sehen, der aus dem Abgrunde eines tödlichen Brunnens aufgestiegen ist. Wir sind Zeugen dessen, was ich als die eigentliche Flucht [évasion] Weidmanns bezeichnen möchte, der auf diese Weise aus seinem Knebel aus bösem Stolz und Grausamkeit entkommen konnte. (Ebd.)
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Antithetisch dazu entlarvt Colette zunehmend das Verhalten des Publikums im Gerichtssaal als fragwürdig. Zum einen handelt es sich um einen Topos der Gerichtsberichterstattung: Chabrier stellt hierzu die These auf, dass Gerichtsreporter in einem Konkurrenzverhältnis zum Zuschauerpublikum stehen und dieses schlecht machen, um ihre eigene moralische Zuverlässigkeit zu unterstreichen (vgl. Chabrier 2022: 245). Zum anderen greift dieses Argument hier deutlich zu kurz, denn das Publikum, das sich zum Weidmann-Prozess im Gerichtssaal versammelte, nahm in gewisser Weise das künftige Verhalten der Zuschauer vorweg, die drei Monate später der öffentlichen Hinrichtung Weidmanns beiwohnten.

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Der letzte Artikel der Serie, Le dernier jour, Weidmann a souri à la mort („Am letzten Tag lächelte Weidmann dem Tod zu“) vom 2. April 1939, beschreibt den Tag der Urteilsverkündung (Colette 1939f: 3). Weidmann und Roger Million wurden beide zum Tode verurteilt.6 Nun scheint dieser letzte Text aus Colettes Artikelserie die Umkehrung des ersten zu sein. Zu Beginn des Prozesses hatte die Reporterin den Gegensatz zwischen ‚uns normalen Menschen‘ und ‚ihnen, den Monstern‘ betont. Die Auflösung dieser Dichotomie vollzieht sich in drei Schritten: erstens durch ein Gefühl des Unbehagens; zweiten durch die Figur des Spiegels; drittens durch die Beschreibung des Verhaltens des Publikums.

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Zunächst drückt Colette ihre Freude darüber aus, dass der Prozess zu Ende ist, weil damit auch ein Unbehagen zu Ende gehe, das sie im Laufe der Verhandlungen immer stärker empfunden habe:

[Dieses] Unbehagen ist keine banale Übelkeit, kein banales Entsetzen über ein abscheuliches Verbrechen, sondern ein merkwürdiges Schwanken, das für das Gleichgewicht unserer Vernunft gefährlich ist. Unser gesellschaftlicher und moralischer Sinn wehrte sich gegen die Parteinahme, die sich im Laufe des langen Prozesses gebildet und verfestigt hatte. Wir akzeptieren nicht widerstandlos, dass ein abscheulicher Mörder durch die gesamten Verhandlungen hindurch seine körperliche Würde, die Ausgewogenheit der Worte und die Weigerung, sich selbst zu bemitleiden, bewahren konnte; dass er stets darauf geachtet hat, nie an unser Mitgefühl oder unser Interesse zu appellieren. Wir akzeptieren dies, obwohl wir uns dagegen wehren. Die belastenden Akten, die Wiederholung des Mordes und seine niedrigen Motive verhinderten – fast wollte ich schreiben: zum Glück – dieses Abrutschen [glissement] in Richtung einer günstigen Stellungnahme [für Weidmann, M.C.]. Dies werden nur diejenigen bestreiten, die die Affäre Weidmann miterlebt haben. (Colette 1939f: 3)
26

Dieses „Abrutschen“ ist für Colette eigentlich nichts Neues, sie hat Ähnliches auch beim Landru-Prozess beschrieben (vgl. Colette 1921: 601–603). Es ist die Würde des zum Tode Verurteilten in dem Augenblick, in dem er sich von einem Täter in ein Opfer der Staatsgewalt verwandelt. Dieses Schwanken in Richtung des Monsters bewirkt einen Perspektivwechsel: Plötzlich verschwindet jede stabile Trennung zwischen ‚uns‘ und ihm:

Was ist ein abscheulicher Verbrecher? Derjenige vielleicht, der uns mit Angst erfüllt, nicht wegen seiner bestialischen und grob erschreckenden Seiten, sondern wegen seiner Nähe zu uns, seiner spürbaren Ähnlichkeit mit uns. Was!, dieses „Monster“, das über den Zaun gesprungen ist und einen Raum zwischen uns und ihm erschaffen hat, der so unberechenbar ist, wie die trügerische Weite zwischen zwei einander gegenüberliegenden Spiegeln, war gestern noch unser Ebenbild? Noch schlimmer: Heute noch ist er – der auf der Anklagebank sitzt – mit dem süßen Äußeren eines Menschen geschmückt? Was!, es hängt wirklich bloß von einem wilden Augenblick ab, von einem Rauschzustand, von einem Irrtum, dass wir uns in einer noch tiefere Ähnlichkeit mit ihm begeben? Das lässt uns zittern – und wir haben gezittert. (Colette 1939f: 3)
27

Die Metapher der beiden gegenüberstehenden Spiegel, die eine schwindelerregende (ethische) Perspektive eröffnen, löscht jegliche Gewissheit einer stabilen Trennung zwischen Tätern und Zuschauern für immer aus. Doch Colette geht noch einen Schritt weiter. Nicht nur beschreibt sie die Entstehung eines Gefühls der Ähnlichkeit. Auch wendet sich nun der Blick auf das Publikum, dessen Verhalten sie im Laufe der Verhandlungen immer wieder kritisiert hat. Das Publikum des Schwurgerichts schien seinem schlechten Ruf gerecht zu werden und bestand – wie Colette unzufrieden feststellte – vor allem aus Frauen. Hier verfiel Colette vielleicht ein wenig in das Klischee der schaulustigen und morbid-neugierigen Zuschauerinnen von Assisengerichten. Vor allem aber prangerte sie das gnadenlose und brutale Verhalten des Publikums an, das Roger Million nach seiner Verurteilung zum Tode auszupfeifen begann. Die Anwälte im Saal sahen sich sogar gezwungen, sich zwischen das Publikum und die Angeklagten zu stellen, um die Zuschauer zum Schweigen zu bringen. Sie riefen der Masse zu: „Wilde! Kannibalen!“ („Sauvages! Cannibales!“) (ebd.). Colettes Leserschaft weiß, dass bereits Voltaire beim Prozess gegen Jean Calas das Publikum, das die Hinrichtung des Angeklagten forderten, als cannibales bezeichnet hatte; dasselbe tat auch Émlie Zola beim Dreyfus-Prozess (vgl. Séverine 1900: 211). Diese Beschimpfung ist also mit der Geschichte der Todesstrafe und damit mit einer Gewalt verbunden, die nicht von den Angeklagten, sondern von der Öffentlichkeit ausgeht und von Autoren und Philosophen angeprangert wird. Colette schreibt sich mit ihren Reportagen in eine Tradition der Kritik an dieser Gewalt ein. Indem die Reporterin am Ende ihres letzten Artikels diese Szene ausführlich beschreibt, zeigt sie, dass sich der Vorwurf der Monstrosität nun verkehrt hat. Die vermeintlich zivilisierte Öffentlichkeit verurteilt nicht nur zwei Menschen zum Tode, sondern demütigt sie. Colette beendet ihre Reportage mit einer Beschreibung Weidmanns, der wieder ins Gefängnis geführt wird und noch einen letzten Augenblick von Freiheit genießt: „Er hatte gerade die Zeit, einen Schluck zu nehmen, einen einzigen, aus der Frühlingsnacht, in der der Mond im klaren Himmel Mitternacht anzeigte“ (Colette 1939f: 3). Der vermeintlich einsame Wolf, der Werwolf à la Fritz Haarmann (vgl. Lessing 1925), erscheint plötzlich viel menschlicher als die Masse seiner Peiniger. Seine Wildheit zeigt eine Würde, die die zivilisierte, strafende Öffentlichkeit vergessen zu haben scheint.

28

Dass Colette mit diesem Bild ins Schwarze traf, zeigt die berüchtigte Berichterstattung über die Hinrichtung Weidmanns am 17. Juni 1939. Bilder und Fotografien öffentlicher Hinrichtungen lösten schon seit Jahrzehnten Proteste und Entsetzen aus, sodass die Behörden versuchten, die Teilnahme der Öffentlichkeit einzuschränken und fotografische Aufnahmen zu verhindern. Meist wurden die Exekutionen zu früher Stunde durchgeführt, sodass das Licht für Fotoaufnahmen nicht ausreichte. Als Weidmann jedoch beim Tagesanbruch guillotiniert wurde, war der Sommertag bereits hell: Es wurde nicht nur fotografiert, sondern sogar ein Film gedreht (vgl. Picard 2021: 246) – der noch heute online abrufbar ist. Aufgrund der öffentlichen Empörung über diese Aufnahmen und das Verhalten des Publikums – es wird berichtet, dass einige Zuschauerinnen nach der Hinrichtung ihre Taschentücher in Weidmanns frisches Blut tauchten (vgl. Picard 2012: 153) – wurde Weidmann zum letzten öffentlich Guillotinierten Frankreichs.

29

Colette blieb auf der Seite der Monster. Ihr Freund Jean Cocteau, der sie in ihren letzten Lebensjahren gut kannte und der seine Aufnahmerede an der Académie Royale über die verstorbene Freundin hielt (deren Platz er nun einnahm), schrieb: „In der Kunst ist alles monströs, und Madame Colette ist keine Ausnahme von dieser Regel [...]. Dem Intellektualismus unserer Zeit ist sie fremd, und wenn Madame Colette kein Monster ist, was ist sie dann?“ („si Madame Colette n’est pas un monstre, elle n’est rien“) (Cocteau 1955: 29; vgl. Leÿs 2004: Abs. 7). Cocteau war nicht nur ein guter Freund Colettes, er kannte auch Jean Genet und dessen eingangs zitierten ersten Roman Notre-Dame-des-Fleurs. Und Genets erotisches „Fabulieren“ (Marcandier 2018: 10) über das Gesicht Weidmanns, dessen Foto er aus einer Illustrierten „guillotiniert“ (ebd.: 10f.), um es an die Wand seiner Zelle zu hängen, ist nicht weit von Colettes Haltung. Auch hier wird die Ähnlichkeit mit dem Monster mit Stolz beansprucht, denn Weidmann tritt im Roman als Teil jener fotografischen Monstersammlung auf, der der Erzähler sich mit Liebe zuwendet, in der Hoffnung, diese Liebe erwidert zu sehen. Die Perspektive der Monstrosität wird zur Möglichkeit, sich den Blick des Fremden, des Feindes oder auch des radikal Anderen anzueignen und die Welt aus dem Blickwinkel des Schuldigen zu betrachten. Die Metapher der zwei gegenüberstehenden Spiegel verdichtet das moralische Schwindelgefühl, das das Monsterwerden mit sich bringt, und prägt – direkt oder indirekt – sowohl den Journalismus Colettes als auch die Schriften Genets. Das Monstergesicht, das aus der Zeitung entgegenblickt, macht die Wände des Gefängnisses porös und stellt die Strafmaßnahmen in Frage.

Literaturverzeichnis

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Anmerkungen

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1

Als Quellen der folgenden biographischen Informationen dienen die zitierte Reportage von Géo London sowie auch weitere Zeitungsberichte aus Le Journal und Paris-Soir, die über die Weidmann-Affäre im Dezember 1937 und im März 1939 berichteten.

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2

Sofern nicht anders angegeben, sind alle Übersetzungen von der Verfasserin.

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3

Die erotische Anziehung für einen Verbrecher. Picard weist auf dieses Phänomen hin, das er mit dem Begriff der „enclitophilie“ bezeichnet (Picard 2012: 153).

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4

Die insgesamt sieben Artikel, die Colette über den Fall Weidmann schrieb, wurden 2018 nachgedruckt (Bonal/Maget 2018: 292–314). Dieser Beitrag zitiert direkt aus den Zeitungsartikeln. Colette bearbeitete diese Serie von Reportagen später und kombinierte sie zu einem einzigen Text mit dem Titel Weidmann, den sie im Band Mes Cahiers (1941) der Sektion Monstres hinzufügte (Colette 1941: 155–176). Dort fehlt jedoch die langsame Verschiebung der Perspektive, die dieser Beitrag in den Blick nehmen möchte.

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5

In ihrem ersten Artikel über Weinmann stellte Colette die These auf, er sei homosexuell (vgl. Colette 1937: 1).

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6

Am 16. Juni wurde das Todesurteil gegen Roger Million in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt (vgl. Bonal/Maget 2018: 311 FN.1).

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Abbildungen

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Titel Fotografie des festgenommenen Verdächtigen Weidmann. Unter dem Bild wird noch sein Deckname angegeben: Siegfried Sauerbry. Quelle: Le Journal 9.12.1937, S. 1. Abrufbar unter https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k7634309p, Zugriff am 9.6.2024. Source gallica.bnf.fr / BnF.
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Titel Die Unterschrift Weidmanns. Quelle: Le Journal 12.12.1937, S. 1. Abgerufen von https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k76343125, Zugriff am 9.6.2024. Source gallica.bnf.fr / BnF.
URL media/wdr05_02-08_Abb_02.jpg
Titel Erste Seite von Paris-Soir mit Ankündigung von Colettes impressions. Quelle: Paris-Soir 11.3.1939, S. 1. Abgerufen von https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k76446809, Zugriff am 9.6.2024. Source gallica.bnf.fr / BnF.
URL media/wdr05_02-08_Abb_03.jpg
Titel Oben, links und rechts: Weidmann mit geschlossenen Augen. Quelle: Paris-Soir 12.3.1939, S. 4. Abgerufen von https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k7644681q/f4.item#, Zugriff am 9.6.2024. Source gallica.bnf.fr / BnF. Unten: Cesare im Film: Dr. Caligari (1920), 18:10. Abgerufen von https://archive.org/details/1919DasCabinetDesDr.Caligari, Zugriff am 9.6.2024.
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Titel Weidmann wird verhört. Quelle: Paris-Soir 13.3.1939, S. 6. Abgerufen von https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k76446824/f6.item, Zugriff am 9.6.2024. Source gallica.bnf.fr / BnF.
URL media/wdr05_02-08_Abb_05.jpg
Titel Colettes letzte Reportage über den Weidmann-Prozess. Quelle: Paris-Soir 2.4.1939, S. 4. Abgerufen von https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k7644688m/f4.item, Zugriff am 9.6.2024. Source gallica.bnf.fr / BnF.
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Autor·in

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Maddalena Casarini

Maddalena Casarini hat in Italien, in der Türkei und in Berlin studiert. Von 2020 bis 2024 war sie Doktorandin am DFG-Graduiertenkolleg „Literatur- und Wissensgeschichte kleiner Formen“ der Humboldt-Universität zu Berlin, wo sie mit einer komparatistischen Arbeit zu den Gerichtsreportagen von Gabriele Tergit, Else Feldmann und Colette promovierte. Zu ihren Arbeitsschwerpunkten zählen die Wechselbeziehungen zwischen Journalismus, Recht und Literatur. Derzeit ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Romanistik der Humboldt-Universität.