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born digital
Franz Innerhofers Romandebüt Schöne Tage (1974) war großer
Erfolg beschieden, er wurde zu einem der profiliertesten Vertreter einer
„Literatur der Arbeitswelt“. Bei seinem Tod 2002 galt Innerhofer hingegen als
ein Autor, von dem nichts mehr zu erwarten war. Der Beitrag gibt einen Überblick
über Innerhofers Werk und die Nachlasssituation, im Zentrum stehen Überlegungen
zur Voraussetzung einer Gesamtausgabe sowie den Möglichkeiten einer digitalen
Edition, wobei intermediale Komponenten von besonderem Interesse sind.
Franz Innerhofer‘s debut novel Schöne Tage (Beautiful
Days, 1974) was very successful, he became one of the most prominent
representatives of a “literature of the working world”. At the time of his death
in 2002, however, Innerhofer was considered an author without expectations. The
contribution provides an overview of Innerhofer’s oeuvre and the situation of
the legacy, focusing on thoughts regarding the prerequisites of a complete
edition and the possibilities of a digital edition, with intermedial components
forming a special interest.
Als Franz Innerhofer am 19. Januar 2002, also vor gut zwanzig Jahren, freiwillig aus dem Leben schied, galt er in der österreichischen Literaturlandschaft als erledigter Fall, ein Autor, von dem nichts mehr zu erwarten war (vgl. Gauß 2011: 42f.). Dem tragischen Ende Innerhofers waren ein zunächst rasanter wie überraschender Aufstieg, sowie nach dem großen Erfolg des ersten Romans
Zu dieser in der Wissenschaft nicht ganz unumstrittenen Zuordnung sei verwiesen auf: Birgfeld 2002: 19–44 sowie: Kaserer 2021: 14–15
Innerhofer selbst hat, soweit wir wissen, nie Vorkehrungen für seinen Nachlass getroffen und so kommen die textgenetisch relevanten Varianten seiner Arbeiten eher fragmentarisch auf uns. Ein umfassender Part der Textzeugen seiner selbständig erschienenen Werke findet sich im Literaturarchiv Salzburg in der Sammlung Karlheinz Rossbacher, der Sammlung Adolf Haslinger Literaturstiftung sowie der Sammlung Archiv Residenz Verlag. Von sieben der neun zu Lebzeiten publizierten Bücher liegen dort Typoskripte vor, wobei das Archiv des Residenz Verlags den größten Teil davon ausmacht. Dass es sich bei den überlieferten Typoskripten mehrheitlich um sehr weit entwickelte Varianten handelt, sandte sie Innerhofer doch zur Publikation an den Verlag, ist selbstredend. Überdies sind uns im Archiv Residenz Verlag noch eine Variante der in einer Anthologie erschienenen Erzählung
Während in Salzburg, abgesehen von den diversen Briefen, also zuvorderst
Textzeugen überliefert sind, finden wir in der Wienbibliothek im Rathaus primär
Lebensdokumente Innerhofers. Die Sammlung der Wienbibliothek im Rathaus wurde
2009 (vgl. Wienbibliothek im
Rathaus 2009) mit einem Teil der Bibliothek des Autors aus dem
Antiquariatshandel erworben und umfasst Rechnungen wie Korrespondenzen, welche
einen detaillierten Einblick in die Lebens- sowie Schaffensumstände des Autors
ermöglichen. Abgesehen von drei aphoristischen Kurztexten Da keine gesicherten Titel für diese kurzen Texte
existieren, benenne ich sie nach den ersten Worten: Weiter geschrieben wird – publiziert in: Wienbibliothek im Rathaus
2009; Rotzpippen – publiziert in: Mädl 2013: 13; Literatur der Arbeitswelt – publiziert in: Kaserer 2021: 15
Die Überlieferungssituation von Innerhofers Œuvre gestaltet sich also durchaus positiv und bietet, mit einigen wenigen Ausnahmen, einen guten Ausgangspunkt für eine künftige Edition. Betrachten wir, um uns ein besseres Bild der Lage zu verschaffen, die einzelnen Werke und ihre Überlieferungssituation etwas genauer.
Schöne Tage (1974)
Durch die Sammlungen Karlheinz Rossbacher (dort liegen zwei mit Römisch I sowie Römisch II betitelte Umschläge) und Adolf Haslinger Literaturstiftung sind uns im Literaturarchiv Salzburg insgesamt drei textgenetisch relevante Varianten von Innerhofers bahnbrechendem Debutroman überliefert. Die drei Typoskripte umfassen insgesamt über 270 Blatt und zeugen von den umfangreichen Arbeiten am Roman. So existieren von einzelnen Kapiteln des Romans verschiedene Fassungen, Innerhofer wie auch dritte Personen – hier sind Verlagsmitarbeiter*innen anzunehmen – fügten handschriftliche Korrekturen ein. Der Autor selbst schnitt zuweilen Seiten auseinander und klebte sie neu angeordnet wieder zusammen. Hervorzuheben ist also die einzigartige Materialität dieser Textzeugen. Die Arbeitsphasen am Roman lassen sich gut in den drei Typoskripten und auch mithilfe der Verlagskorrespondenz nachvollziehen. Anzumerken ist, dass der bei Innerhofers Freund und Biographen Frank Tichy erwähnte ursprüngliche Anfang von
Schattseite (1975)
In der Sammlung Archiv Residenz Verlag im Literaturarchiv Salzburg sind uns zwei Typoskripte von Innerhofers
Innenansichten eines beginnenden Arbeitstages (1976)
Die Erzählung über Entfremdung und Sinnlosigkeit des Fabrikarbeitsalltags wurde 1976 im deutschen Liebhaberverlag Pfaffenweiler Presse veröffentlicht. Innerhofers Text wurden Grafiken der Künstlerin Margarethe Keith anbeigestellt. Keith und Innerhofer signierten die kleine Auflage von 200 Exemplaren händisch mit Bleistift. Es handelt sich dabei um Innerhofers erste Publikation in einem anderen Verlag, weshalb uns in Salzburg kein Typoskript überliefert ist. Der Pfaffenweiler Verlag selbst dürfte Anfang des neuen Jahrtausends geschlossen worden sein. Der Verbleib eines möglichen Verlagsarchivs konnte bis dato nicht geklärt werden, Kontaktversuche mit der früheren Inhaberin blieben erfolglos. Basis für eine Edition bildet also das Druckwerk selbst.
Die großen Wörter (1977)
Mit dem dritten Teil seiner autobiographischen Romane kehrt Innerhofer nach seinem kurzen Ausflug zu Pfaffenweiler wieder zu Residenz zurück, weshalb sich hier wieder ein umfassendes Typoskript mit den typischen Anmerkungen und Korrekturen eigener wie fremder Hand im Archiv des Residenz Verlags findet. Überdies haben sich in der Verlagskorrespondenz etwas über 20 Blatt Anmerkungen sowie Kopien aus dem Typoskript mit Anmerkungen des Lektorats erhalten, welche zur Textkritik herangezogen werden müssen.
Der Emporkömmling (1982)
Mit dem
Mädl geht von
einer Verwechslung im Titel aus und meint, beim in der Anthologie
publizierten Text handle es sich um einen völlig anderen Roman (vgl. Mädl 2013: 97). Birgfeld
hingegen, welchem ich beipflichten will, sieht in der Safari eine Vorarbeit zum Emporkömmling
(vgl. Birgfeld 2002:
233).
Out of Arnfels: Bilder aus Polen und Burghölzli (1989)
Obwohl Innerhofers zweite Kollaboration mit einem Kunstschaffenden im Grazer Verlag Leuschner + Lubensk erschien, hat sich in der Sammlung Archiv Residenz Verlag im Literaturarchiv Salzburg die Kopie eines entsprechenden Typoskripts mit Korrekturen eigener wie fremder Hand erhalten. Die Korrespondenz zwischen Innerhofer und Jung legt nahe, dass der Autor 1987 daran dachte, seinen Text bei Residenz zu publizieren, was aber aus bisher noch nicht geklärten Umständen nicht realisiert wurde. Eine aus 1986 stammende erste Fassung von
Orvieto (1990)
Bei dem 1990 im Grazer Kleinstverlag Edition Strahalm erschienen Theaterstück
Wienbibliothek im Rathaus. Signatur: ZPH1340. Archiv Theaterverein Gruppe 80. Archivbox 21. Mappe 2.4. In dieser Sammlung finden sich überdies Fotografien der Proben.
Darüber hinaus produzierte der ORF Steiermark im Jahr 1981 ein Hörspiel Innerhofers unter dem Titel
Innerhofer wurde wegen des Hörspiels scheinbar auch aus Deutschland für eine weitere Produktion kontaktiert (vgl. Mädl 2013: 104f.).
Nebst dieser drei Fassungen findet sich im Archiv des Residenz Verlags ein mit
Um die Wette leben (1993)
Von Innerhofers letztem und in der Kritik durchgehend zerrissenem Roman hat sich im Literaturarchiv Salzburg unter dem Titel
Scheibtruhe (1996)
Bei
Bereits 1990 wurden Ausschnitte aus dem Stück in der Tageszeitung
Im Jahr 2003 fand im Theater Gruppe 80 in Wien eine Aufführung des Stücks unter dem Titel
Wienbibliothek im Rathaus. Signatur: ZPH1340. Archiv Theaterverein Gruppe 80. Archivbox 10. Mappe 1.68. sowie Archivbox 37. Mappe 11.1.3.18. Wie bereits bei
Während vom Gros der selbständig erschienenen Texte unseres Autors Typoskripte vorhanden sind, konnten trotz intensiver Recherchen – der oben unter
Trotzdem die Überlieferungssituation der Typoskripte Franz Innerhofers summarisch als recht gut zu bezeichnen ist, sind noch einige offene Baustellen zu konstatieren, welche in die Überlegungen einer künftigen Edition miteinbezogen werden müssen.
Transamazonica
Gemeinsam mit seinen Kollegen Ingram Hartinger, Alf Schneditz, Franz Praher und Georg Schmid bildete Franz Innerhofer das lose Autorenkollektiv Transamazonica. Über die Ernsthaftigkeit und Enge der Gruppe ließe sich diskutieren (vgl. Tichy 2004: 129–136, Schneditz 2011: 53–57). Transamazonica harrt zuweilen noch einer literaturwissenschaftlichen Untersuchung, weshalb eine Edition hier natürlich Pionierarbeit zu leisten hätte. So ließe sich etwa die Frage stellen, welchen Einfluss die Gruppe und ihre Mitglieder auf die Entstehung des Innerhofer’schen Werks ausübten. Überdies wäre zu recherchieren, ob Materialien wie etwa Aufzeichnungen der ersten gemeinsamen Lesung aus dem Jahr 1987 überdauerten.
Das rechte Murufer
In den 1990er Jahren begann Innerhofer mit der Arbeit an dem Roman
Die von Tichy angegebene Quelle hat sich nach meinen Recherchen bedauerlicherweise als falsch herausgestellt.
Korrespondenz
Innerhofers in Salzburg und Wien aufbewahrte Korrespondenzen wurden durch Judith Mädls Arbeit
Wie wir zeigen konnten, sind die Bedingungen zu einer literaturwissenschaftlich fundierten Edition von Franz Innerhofers Werk durchaus gegeben. Für die meisten selbständig erschienenen Arbeiten finden sich Textzeugen, und auch eine Werkbibliographie der unselbständig erschienenen Texte liegt vor (vgl. Birgfeld 2002: 231–233). Selbst die Korrespondenz Innerhofers ist zu großen Teilen erforscht, was biographische und somit für die Entstehung der Texte relevante Details mit einem überschaubaren Aufwand erschließbar macht. Es bleibt also die Frage nach der Gestalt einer künftigen Edition.
Werk und Nachlass Franz Innerhofers bieten, so scheint mir, ideale Voraussetzungen für eine Online-Edition. Ein Grund für diese Annahme ist die bisher kaum als solche explizit erforschte Intermedialität in mehreren seiner Arbeiten. Zu nennen wäre hier etwa der Debutroman:
Weiters böte eine digitale Edition die Möglichkeit, die oben bereits genannte
Materialität der Autographen sichtbar zu machen. Die eingeklebten Stellen, mit
unterschiedlichen Schreibmaterialien durchgeführten Korrekturstufen, etc. sind
direkte Zeugen der intensiven Arbeit des Schriftstellers an seinen Texten und
lassen sich ohne entsprechende Digitalisate der Typoskripte kaum sichtbar
machen. Eine entsprechende Edition in Form einer Website könnte beispielsweise
eine simultane Ansicht von Digitalisat sowie diplomatischer Transkription
anbieten. Ein gelungenes Beispiel für so eine
Darstellungsart ist die an der Österreichischen Akademie der
Wissenschaften entstandene Edition von Thomas Bernhards Wittgensteins Neffe. Abrufbar unter: https://wn.ace.oeaw.ac.at
Nebst der Einbettung von Digitalisaten, Videos, Fotografien und Audiodateien wäre wohl auch Geo-Mapping eine naheliegende Option. Über ein solches Tool ließen sich nicht nur die Orte in den Romanen, wie etwa Krimml und Kaprun, mit den jeweiligen Textstellen verknüpfen. Eine zweite Karte könnte überdies wichtige Orte der Biographie markieren, etwa diverse Studienaufenthalte in Italien (vgl. Mädl 2013: 13–15), Innerhofers Lesereisen (vgl. ebd. 72–81) und natürlich Orte im Oberpinzgau oder etwa Graz.
Bei all dem hier sichtbar werdenden Enthusiasmus bleibt indes ein Wehrmutstropfen. Freilich muss für solch ein Vorhaben die nicht unkomplizierte rechtliche Situation bedacht werden. Innerhofers Tod liegt zwanzig Jahre zurück, wodurch einerseits die Erbin, seine Tochter, einbezogen werden muss. Andererseits wären die Rechte für die Verfilmung von
Eine digitale Edition von Franz Innerhofers Œuvre böte nicht nur eine gute
Gelegenheit, die technischen Möglichkeiten der digitalen Editionsphilologie
auszuschöpfen, sondern würde das inzwischen großteils vergessene Werk des Autors
wieder zugänglich machen und könnte damit überdies die sogenannte Literatur der Arbeitswelt erneut in den Fokus der
Forschung rücken. Gute Argumente also, sich trotz bestehender Schwierigkeiten
eines solchen Vorhabens anzunehmen.