Ganz Wien ist so herrlich hin, hin, hin
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Peter Ernst eröffnet den Schwerpunkt zum Thema ‚Wiener Pulp‘ mit einem Abstecken der Ausgangsbedingungen für die internationale Karriere von Johann Hölzel. Wie viel hat er Einflüssen der Zeit und der Musikszene in Wien zu verdanken, was stammt genuin von ihm? Hatte er Vorbilder und, wenn ja, welche Einflüsse hatten sie auf ihn? Was lässt sich dazu aus seinem Frühwerk ableiten? Es wird also auf die Suche nach der Frage gegangen, wieviel Geist der späten 1970er Jahre in der Kunstfigur ‚Falco‘ steckt.
Peter Ernst opens the focus on ‘Viennese Pulp’ by tracing the background of Johann Hölzel’s international career. How much does he owe to the influences of his time and of the Viennese music scene, what is genuinely his own? Did he have models, and if so, what was their influence on him? What can we deduce from his early work? The question discussed here is how much of the spirit of the late 1970s is in the persona ‘Falco’.
Wilfried 1984 Mein Haustier ist ein Falke, der hölzelt so vor sich hin. Er hört auf den Namen Hansi, heiße Luft ist sein Lebenssinn.
Johann Hölzel alias Falco nimmt unter den zeitgenössischen österreichischen Musikern der Populärsparte bekanntlich eine singuläre Stellung ein. Sein Werk lässt sicht nicht so recht im Fach ‚Austropop‘ unterbringen, noch weniger als ‚Schlager‘ bezeichnen. Im Grunde schuf er etwas Neues, das man vielleicht die österreichische Variante der ‚Neuen Deutschen Welle‘ mit deutlichen Einflüssen aus der Rap- und Hip-Hop-Szene nennen könnte. Tatsächlich steht diese Musikrichtung am Beginn einer Entwicklung, aus der schließlich die Kunstfigur Falco geboren wurde. Falco ist keine Person, sondern eine Kunstfigur. Diese oft geäußerte Interpretation (so u.a. Mazierska 2014: 25; Hoppe 2016: 87; Bork 2020: 7) setzt voraus, dass ‚Falco‘ mehr oder minder bewusst geschaffen wurde. Wie viel hat er dem 'Zeitgeist' und der Musikszene in Wien zu verdanken, was stammt genuin von ihm? Hatte er Vorbilder und, wenn ja, welche Einflüsse nahmen sie auf ihn? Was lässt sich dazu aus seinem Frühwerk ableiten?
Die ‚Explosion‘ der britischen Punkmusik mit Bands wie The Sex Pistols, The Clash
und Siouxsie Sioux (und auf amerikanischer Seite Velvet Underground, The
Stooges, The New York Dolls u.a.m.) in den späten 1970er Jahren fand auch
Nachfolger in der Bundesrepublik Deutschland. Durch die unterschiedlichen
kulturellen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen erhielt sie jedoch ein
entscheidend anderes Gesicht. Hornberger (2014: 85) spricht von Beatles der elektronischen
Tanzmusik
(Strauss 1997) bezeichnet wurden, traten Bands
wie Fehlfarben, Extrabreit oder Ideal mit anspruchsvollen literarischen
Songtexten hervor. Einigen Interpreten gelangen phänomenale Erfolge im
englischsprachigen Raum wie Nena, Peter Schilling und eben Falco (detailliert
zur Geschichte der NDW vgl. Hornberger
2011).
War der Punk in Deutschland daher schon von Anfang an anders gelagert, kam hier
noch die sehr frühe Ausbeutung und Korrumpierung durch die etablierte
Schallplattenindustrie hinzu, die die Revoluzzerpose (von Bands wie
Mittagspause, Abwärts, The Wirtschaftswunder) sehr bald in absatzstarken
Mainstream verwandelte (vgl. Hornberger 2014: 89; Schütte
2017: 17). Mit Trio, Geier Sturzflug, Deutsch-österreichische
Freundschaft (DÖF) und Minisex kam noch ein Schuss Dada hinzu, der ja gerade im
deutschsprachigen Raum seinen Ursprung hatte. Bands der NDW fielen nun vielmehr
durch ihre betonte Unterkühltheit und die oft kinderreimenden Texte: Bubu machen
steht babysprachlich für
schlafen, dösen, einnicken
(korrekturen.de 2022) im Song ‚Turaluralu – ich mach
BuBu was machst du?‘ von Trio (1983a). Reste dieser beiden
Texteigenschaften sind in Falcos Frühwerk reichlich zu finden.
Trio:
Dann rufst du an Und ich fange an zu träumen Sowas darf man nicht versäumen Herz ist Trumpf Dann rufst du an Und ich fange an zu schweben Ist das schön das zu erleben Herz ist Trumpf
Falco:
Er war ein Punker und er lebte in der großen Stadt Es war in Wien, war Vienna, wo er alles tat
Die Textzeilen Und ich fange an zu träumen / Sowas
darf man nicht versäumen
, Und ich
fange an zu schweben / ist das schön das zu erleben
ähneln in ihrem
Bedürfnis, ohne allzu viel Aufwand einen Vers mit Reim zu finden, frappant
Falcos wo er alles tat
. Weitere
Merkmale der NDW sind simple Harmonien, eingängige Melodien sowie eine
reduzierte Bandbesetzung; all das kann auch in Falcos Frühwerk ausgemacht
werden.
Um die Ausgangssituation Johann Hölzels zu verstehen, muss man sich der allgemeinen gesellschaftlichen und kulturellen Situation in Wien in den 1970er Jahren bewusst werden. Der damals kursierende Witz „Ab 20:00 sind in Wien nur mehr die Briefkästen geöffnet“ darf und muss durchaus wörtlich genommen werden. Wien war noch immer eine graue Stadt, die durch die Lage am Eisernen Vorhang zudem von Bevölkerungsschwund getroffen war. Ein ‚Nachtleben‘ gab es nicht, außer vielleicht im zwielichtigen Bereich. Es war noch immer die Wirkung der ÖVP-Alleinregierung unter Josef Klaus von 1966 bis 1970 zu spüren, auch und besonders im kulturellen Bereich:
1966 begann die ÖVP Alleinregierung, die bis 1970 andauerte. Die Ziele dieser konservativen Kulturpolitik waren klar definiert:
- Schutz der religiösen, sittlichen, geistigen und sachlichen Kulturwerte des Volkes gegen Zerstörung von außen.
- Sicherung des Freiheitsraum der kulturell tätigen Menschen im Inland und Mitwirkung bei Maßnahmen der Sicherung auf überstaatlicher Ebene.
- Förderung des Kulturschaffens durch Bereitstellung der nötigen materiellen Mittel und durch Unterstützung der kulturell Tätigen (Errichtung verschiedener Stätten der Bildung, Forschung und Kunst wie Sport).
- Werbung und Sorge für die ständige Ausweitung der höheren Bildung des Volkes. (Gisch 1991: 1)
Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit waren deutlich zu spüren; so warb die ÖVP im Wahlkampf 1966 für Klaus als „echten Österreicher“ und diffamierte damit den Juden Bruno Kreisky, der als SPÖ-Vorsitzender antrat. Frauen durften ohne die schriftliche Genehmigung ihrer Ehemänner nicht arbeiten und kein Bankkonto besitzen (dies wurde erst 1975 ermöglicht!). Als Österreich-Spezifikum nahm in diesem Zusammenhang auch die Katholische Kirche als eine alles Neue verhindernde Kraft eine besondere Rolle ein (vgl. ebd.: 2).
Die 1970er Jahre waren dann, besonders in ihrer zweiten Hälfte, gekennzeichnet
durch politische und gesellschaftliche Aufbrüche. Möglich gemacht wurde dies
durch die Kanzlerschaft Bruno Kreiskys, zunächst als Minderheitenregierung, dann
mit absoluter Mehrheit in drei Amtsperioden von 1971 bis (durch vorgezogene
Wahlen) 1983: Einerseits wurde der Wohlfahrtsstaat stark ausgebaut, es erfolgte
eine kulturelle und gesellschaftliche Öffnung des Landes und Österreich nahm
eine wichtige Rolle in der internationalen Politik ein. Mit seinem Programm nahm
Kreisky der 68er Bewegung gleichsam den Wind aus den Segeln: Die Reformära der 70er Jahre unter
Bundeskanzler Kreisky war bestimmt durch die von den Studierenden 1968
geforderten Veränderungen in der Friedenspolitik, im Hochschul- und
Bildungssektor sowie durch Themen der Frauenemanzipation, Abrüstung und
Demokratisierung
(Dobersberger 2017: 40).
In dieser zwiespältigen Situation zwischen rechtskonservativer Rückwärtsgewandtheit und linkssozialem Aufbruch entstand eine Untergrundkultur, die durch die neuen Freiheiten eine Art von Gesellschaftskritik entwickelte, die sich aus verschiedenen Strömungen speiste, der Punkmusik, dem politischen Kabarett (etwa von Lukas Resetarits und den Schmetterlingen) und dem musikalischen Aktionismus eines Frank Zappa u.a. Ein besonderes Ereignis stellt die so genannte Arenabesetzung dar. Ab 1970 stellt die Stadt Wien mit der Festwochen-Arena der jungen und alternativen Szene, der auch damals oder später renommierte Literaten wie H. C. Artmann, Wolfgang Bauer, Gerhard Rühm und Andreas Okopenko angehörten, verschiedene Spielstätten zur Verfügung, ab 1975 den Auslandsschlachthof St. Marx in Wien-Erdberg. Dieser sollte Ende 1976 abgerissen werden. Im Juni desselben Jahres entstand ein organisierter Protest gegen diese Pläne; auch, weil in Wien die Spielorte für jene Art der Kultur eng begrenzt war. Nach dreimonatigen Verhandlungen hielt die Stadt Wien zwar an ihren Plänen fest, öffnete aber den Inlandsschlachthof (die heutige Arena, die noch immer bespielt wird). Ein Teil der Demonstranten war mit dieser Lösung einverstanden und wurde von den anderen in Folge als ‚Verräter‘ angesehen (zur Arena-Besetzung vgl. Dobersberger 2017).
Vor allem die Band Drahdiwaberl gerierte sich im Urteil der bürgerlichen
Gesellschaft mit Obszönitäten, Geschmacklosigkeiten, Blasphemie, politischen
Angriffen, Punkmusik und Fäkalsprache als ‚Bürgerschreck‘. Bei einem Auftritt in
der Universität etwa hatten sie auf der Bühne ein Schwein tranchiert und so
einen Eklat mit Auftrittsverbot provoziert (vgl. Bork 2020: 19). Die Formation war vom
AHS-Musiklehrer Stefan Weber bereits 1969 gegründet, aber von ihm radikal
neupositioniert worden, nachdem er einen Auftritt der ähnlich gelagerten, aber
gemäßigteren Hallucination Company von Ludwig ‚Wickerl‘ Adam (1977 gegründet)
miterlebte hatte (zu HC und Drahdiwaberl vgl. Weiss 1995: 55−58, detailliert Schmid 2010). Drehkreisel mit acht Seiten, von denen eine eine weibl. Gestalt (Venus oder
Wawerl) zeigt, die anderen 1–7 Punkte zur selben Verw[endung] wie ein
Würfel
(Hornung/Grüner 2002: 252). ‚Wawerl‘ ist
dabei die Koseform des Namens Barbara und hat nichts mit ‚Weib‘ zu tun, mit dem
es oft (fälschlicherweise) erklärt wird; so auch im Film
Es war schon immer mein Ziel, Drahdiwaberl zur extremsten und obszönsten Band zu machen – und ich glaube, das haben wir geschafft!(ORF 2018)
Wäre Drahdiwaberl ein Druckwerk, könnte man es im buchstäbliche Sinn als
Eine eigene Erwähnung verdient die Erste Allgemeine Verunsicherung, an deren Karriere die geschilderte Entwicklung gerade in Österreich anschaulich nachverfolgt werden kann. 1977 wurde sie von Erik Breit, Nino Holm, Thomas Spitzer und Andreas Stenmo als Rockkabarettgruppe gegründet und wandte sich zunächst gesellschaftskritischen Themen zu, verstärkt durch den mit Thomas Spitzer befreundeten Sänger Wilfried (Scheutz) (vgl. Erste Allgemeine Verunsicherung 2022). Einen der frühen Auftritte konnte der Verfasser 1978 noch selbst miterleben. Schon damals waren theater- und kabarettähnliche Bühnenelemente, etwa Masken, fantasievolle Ausstattung und dramaturgische Beleuchtungseffekte, charakteristische Elemente der Show. Diese wurden in späteren Jahren massiv ausgebaut, als sich die Band in geänderten Formationen mehr in Richtung einer ‚Spaß-Combo‘ entwickelte. Die gesellschaftliche und politische Komponente blieb aber stets erhalten.
Die Antwort des reaktionären Teils der Bevölkerung karikierte Stefan Weber (auch in selbstironischer Brechung) wiederholt: Während des Songs ‚Sprayback‘ unterhalten sich zwei ältere Damen über die dargebotene Show:
Drahdiwaberl:
Stefan Weber heißt das Schwein […] Wie ist das möglich, dass das erlaubt ist Sicher ist das erlaubt Gott, sind die primitiv, diese Kerln da Genau – wenn’s wenigstens gscheite Kritik wäre, ich sag, eine fundierte ja, da sag ich nichts bitte, man muss tolerant sein, aber das ist wirklich nur mehr zum Kotzen
Nach allgemeinem Urteil fügte sich Falco als Bassist nie recht in den rauen Habitus dieser Formation und ging in seiner mit Plastiküberzügen geschützten Designerkleidung von Anfang an seinen eigenen Weg. Über die Reihenfolge der Bandzugehörigkeit und damit des Aufstiegs von Johann Hölzel kursieren verschiedene Meinung und Angaben (vgl. z.B. Lanz 2013 und Bork 2020). Am zuverlässigsten erscheint in dieser Hinsicht die Website der Falco-Privatstiftung, die von Falcos Mutter Maria Hölzel und seinem ‚Intimus‘ Ronald Seunig gegründet wurde (vgl. Falco Privatstiftung o.J.): Mit 17 stieg Johann Hölzel in seine erste Band, Umspannwerk, ein. Dem leuchtenden Vorbild David Bowie folgend, ließ er sich einige Zeit in Westberlin nieder, ohne dort Fuß fassen zu können. Ein Reflex dieser Zeit findet sich im Song ‚Auf der Flucht‘ (auf
Falco:
[…] west berlin neunzehnhundertsechzig sieben erster eindruck: grüne minna straßensperre gegen spinner habt ihr bock auf ne tracht prügel wir bedienen euch nicht übel, aha ecke joachimstaler kuhdamm ein exzess wer das gas als letzter riecht hat als erster den prozeß ganz berlin ist eine wolke und man sieht sich wieder mal auf der flucht aus aus aus ausbruch auf der flucht […]
Ende der 70er Jahre wurde Ludwig Adam auf den jungen Musiker aufmerksam, als sich Hölzel in der Mödlinger Innenstadt als Straßenmusiker betätigte, und nahm ihn in sein Erstes Wiener Musiktheater auf, aus dem später die Hallucination Company hervorging. 1978 ging die HC erstmals auf Tour und konnte vor allem in Deutschland (insbes. München) große Erfolge feiern. Eines Tages ließ sich Hölzel von Adam nicht mehr mit seinem bürgerlichen Namen, sondern als ‚Falco Gottehrer‘ ankündigen; den ersten Namen hatte er sich vom damals berühmten ostdeutschen Skispringer Falko Weißpflog ‚entlehnt‘; ein paar Tage später blieb es endgültig nur bei ‚Falco‘, mit ‚c‘ schon damals wegen der besseren internationalen Verständigung. Damals änderte er auch seine Erscheinung, kämmte sich die pomierten Haare nach hinten, trug auf der Bühne Designerkleidung und hob sich damit von den langhaarigen Mitmusikern ‚in Fetzen‘ deutlich ab. Durch die großen Erfolge von HC organisierte Stefan Weber seine Wabb’s Crew in Drahdiwaberl um und engagierte u.a. auch Falco, der einige Zeit in beiden Bands spielte.
Drahdiwaberl war eine Mischung aus
Chaos, Rock und Politkabarett. Die Musik war zwar geprobt, der Ablauf der
Show aber spontan. Der Gruppe ging es vielmehr um Chaos, Happening, Ulk und
Klamauk. Die Drahdiwaberl-Konzerte liefen derart exzessiv ab, daß Falco sich
gezwungen sah, seine Designer-Kleidung bei Auftritten mit einem
durchsichtigen Plastikmantel zu schützen.
(Falco
Privatstiftung o.J.) 1979 verließ Falco HC und spielte für seinen
Lebensunterhalt einige Zeit bei der Kommerzband Spinning Wheel mit, die u.a.
Bee-Gees- und Rod-Stewart-Songs coverte und bei der Falco erstmals sang. Dort
wirkten auch spätere Weggefährten wie die Rabitsch-Brüder mit, die dann auch bei
Drahdiwaberl einstiegen.
1980 stellte Falco Weber bei einer Probe seinen selbstkomponierten und -getexteten Song ‚Ganz Wien‘ vor, der ins Live-Programm aufgenommen wurde, aber nicht, weil er so gut ins Programm passte − das Gegenteil war eher der Fall −, sondern weil ihn Stefan Weber als Pausenfüller zum Kostümwechsel brauchte (so sein Weggefährte Peter Vieweger in Wiener Zeitgeist 2018). ‚Ganz Wien‘ sprach unverhohlen die Rauschsuchtszene in Wien an und wurde deshalb von den Sendeanstalten auf den Index gesetzt. Bei Liveauftritten erntete er aber ungeheuren Erfolg. So sah und hörte ihn 1981 der junge Produzent Markus Spiegel und nahm den Solisten und die Band sofort unter Vertrag: „Als ich Falco bei einem Drahdiwaberl-Konzert in den Wiener Sophiensälen erstmals mit seiner Nummer ,Ganz Wien‘ sah, war mir klar, daß ich ihn als Solokünstler unter Vertrag nehmen wollte. Falco hat auf mich einen ungeheuer charismatischen Eindruck hinterlassen.“ (Falco Privatstiftung o.J.; vgl. auch Mießgang 2008) Zugleich produzierte er mit Drahdiwaberl deren erste Schallplatte
Falco:
er geht auf der stroßn sogt net wohin des hirn voi heavy metal und seine leber ist hin seine venen san offn und es riacht nach formalin des olles mocht eam kan kummer weu er is in wien ganz wien is heit auf heroin ganz wien träumt mit mozambin ganz wien wien wien greift auch zu kokain überhaupt in der ballsaison man sieht ganz wien wien wien ist so herrlich hin hin hin kokain und codein heroin und mozambin mochn uns hin hin hin hin hin, ans zwaa drei hin, eins, zwei, drei kokain und codein heroin und mozambin mochn uns hin hin hin hin hin three, four three, four amoi wird der tog kumma die donau außer rand und band im u4 geign die goidfisch der bruno längst am sichern land der hannes aa donn lerna ma schwimma treibm tamma eh uh, alle teiferl weißes gwandl und weiß wie schnee wien kokain und codein heroin und mozambin machen uns hin hin hin hin hin, don’t you know kokain und codein heroin und mozambin machen uns hin hin hin hin hin ganz wien, ganz wien fade out
In der sehr erfolgreichen satirischen Fernsehserie ‚Kottan ermittelt‘, die der Österreichische Rundfunk von 1967 bis 1983 produzierte und ausstrahlte, hatte Falco als Musiker einen Kurzauftritt. Nach eigener Aussage kam ihm dabei die Idee, dem von Lukas Resetarits gespielten Kommissar einen Song zu widmen:
Allerdings sind die genauen Umstände falsch geschildert. Falco spielte nicht in der filminternen Spaßband Kottan’s Kapelle Klavier, sondern stand wie stets am Bass, als Kottan einem Auftritt von Drahdiwaberl mit ihrem Song ‚Ausgeflippter Lodenfreak‘ beiwohnte.
Der Song ist in mehrfacher Weise für Falcos Arbeitsweise charakteristisch. Zum
einen scheut er sich nicht vor reinem Geblödel, wie sich auch die Fernsehserie
gegen ihr Ende hin immer mehr von der Satire weg und zum reinen Nonsens
entwickelte. Die kindlichen Verse sind schon in Kapitel 1 angesprochen worden;
nicht ohne Hintergedanken heißt es bei Falco jetzt das kinderlied
(Falco 2009: 24) vor dem Refrain. Zum anderen
ist sein Dialekt − und nebenbei gesagt auch die englischen Passagen, wie
besonders in ‚America‘ von 1985 gesehen werden kann − nicht authentisch, sondern
eine Art Kunstsprache, die zwar nach Wienerisch klingt, es de facto aber nicht
ist. So wird in Wien schwimmen
nicht
als schwimma
artikuliert, sondern als
schwimman
, kommen
nicht als kumma
, sondern als kumman
usw. (vgl. Ernst 2010: 126).
Weitere Beispiele können aber auch auf anderen sprachlichen Ebenen gefunden
werden, so entspricht die Phrase oiso die
gschicht is a jene
‚also, die Geschichte geht so‘ (in ‚America‘,
Falco 2009:
61) keineswegs dialektaler Ausdrucksweise; jener/jene
würde niemand im Dialekt äußern.
Zusätzlich erfolgt hier politische und Gesellschaftskritik, wie sie in anderen
Songs kaum zu finden ist. Vielleicht ist dies dem satirischen Gehalt von
‚Kottan‘ zu verdanken, der sich auch über Österreich im Allgemeinen, die Wiener
im Speziellen und ganz besonders über die Polizei lustig machte. Die Implikatur,
auf dem Wiener Opernball werde in besonderen Ausmaß Kokain oder andere Drogen
konsumiert, muss nicht unbedingt nur einen Seitenhieb auf die Oberschicht
darstellen, sie kann auch auf die seit 1968 immer wieder durchgeführten, zum
Teil gewalttätigen Demonstration vor dem Opernhaus anspielen. Mit Bruno
ist natürlich Bruno Kreisky gemeint, dem Falco
hier eine gewisse Schlitzohrigkeit und Lebenstüchtigkeit zuspricht; das gilt
auch für Hannes
, seinen Finanzminister Hannes Androsch.
Das U4 ist die damals maßgebende Diskothek, in der auch Falco regelmäßig
verkehrte; der Inbegriff des damaligen ‚Zeitgeists‘.
Falco:
check it out, joe, ha two, three, four eins, zwei, drei na, es is nix dabei na, wenn i eich erzähl die gschicht nichtsdestotrotz ich bin das schon gewohnt im tv-funk da läuft es nicht cha, sie war jung das herz so rein und weiß und jede nacht hat ihren preis sie sagt: »sugar sweet, you got rappin’ to the heat« ich verstehe, sie ist heiß sie sagt: »babe, you know i miss my funky friends« sie meint jack und joe und jill mein funk-verständnis ja, das reicht zur not ich überreiß, was sie jetzt will ich überleg bei mir ihr nosn spricht dafür währenddessen ich noch rauch die special places sind ihr wohlbekannt ich mein, sie fährt ja u-bahn auch dort singens: drah di net um, oh oh oh, schau, schau der kommissar geht um, oh oh oh er wird di anschaun und du waaßt warum die lebenslust bringt di um alles klar, herr kommissar? hey, wanna buy some stuff, man, ha? did you ever rap that thing, jack so rap it to the beat wir treffen jill und joe und dessen bruder hip und auch den rest der coolen gang sie rappen hin, sie rappen her dazwischen kratzens ab die wänd dieser fall ist klar lieber herr kommissar auch wenn sie andrer meinung sind den schnee auf dem wir alle talwärts fahrn kennt heute jedes kind jetzt das kinderlied: drah di net um, oh oh oh, schau, schau der kommissar geht um, oh oh oh er hot die kroft und wir san klan und dumm und dieser frust mocht uns stumm drah di net um, oh oh oh, schau, schau der kommissar geht um, oh oh oh wenn er di onspricht und du waaßt warum sog eam dein lebm bringt di um alles klar, herr kommissar? drah di net um, oh oh oh, schau, schau der kommissar geht um, oh oh oh er hot die kroft und wir san klan und dumm und dieser frust macht uns stumm drah di net um, oh oh oh, schau, schau der kommissar geht um, oh oh oh wenn er di onspricht und du waaßt warum sog eam dein lebm bringt di um […] fade out
Der Song beförderte Falcos Karriere in besonderer Weise, etwa, indem ihm der Ruhm des ersten deutschen Rappers zugesprochen wurde (vgl. etwa Wikipedia 2022). Er führte damit auch das bereits in den Anfängen der NDW grundgelegten Prinzip weiter, Deutsch und Englisch zu mischen (Jäger 2017: 134f. spricht dies bereits den Vorläufern der NDW zu, etwa Kiev Stingl mit seinen beiden ersten Alben
Welche Einflüsse hatte nun Falcos Frühzeit bei HC und Drahidwaberl auf seine ersten Erfolge ‚Ganz Wien‘ und ‚Der Kommissar‘? Die Antwort ist einfach: keine. Bei ‚Ganz Wien‘ existieren keine Textunterschiede zwischen
Christian Ide Hintze, Gründer und Leiter der Schule für Dichtung in Wien, berichtet (in Hintze 2010), dass sich der bekannte Germanist Wendelin Schmidt-Dengler (1942−2008) im Sommer 2007 an ihn gewandt hatte mit dem Vorschlag, Falco „zum Gegenstand poetologischer Untersuchungen“ zu machen. Neben anderem wurde ein Video von einer Lesung Falcos zutage gefördert, in dem dieser literarische Texte u.a. von Franz Werfel, William S. Bourroghs, H. C. Artmann, Gerhard Rühm, Jack Kerouac, Walter Serner und sich selbst vortrug. Auf Initiative von Schmidt-Dengler wurde 2007 das erste wissenschaftliche Symposion ‚Falco’s many languages‘ in der Schule für Dichtung abgehalten, dessen Ergebnisse in Hintze 2010 publiziert wurden.
Falco hatte dort bereits im April 1995 ein Werkstattgespräch mit dem Titel
‚schreibt falco texte? wenn ja − wie?‘ abgehalten, für das er zwei Vorlesungen
vorbreitet hatte, die er allerdings aus
angst, vor den augen der von ihm verehrten dichter nicht zu bestehen
(Hintze
2002: 66), kurzfristig absagte. Im Mai 1995 gab er als
Benefizveranstaltung für die Schule für Dichtung, die in finanzielle
Schwierigkeiten geraten war, eben jene „musikalisch-literarische performance“,
die Schmidt-Dengler als Videomitschnitt gefunden hatte (Auszüge daraus sind auf
der DVD ‚Falco Symphonics‘ enthalten).
Auch ohne diese Hintergrundinformationen wäre Falcos Kenntnis der und Begeisterung über die literarische Avantgarde seiner Zeit überdeutlich. Sie äußern sich in einem spielerischen, kritischen provozierenden und − besonders für die Wiener Gruppe, der auch Ernst Jandl (1925−2000) nahestand − humorvollen Umgang mit den Möglichkeiten der sprachlichen Mittel.
Falco:
[…] wir erfinden immer neue spiele spiele gibts zu spielen viele brot und spiele san gefragt no future extrem angesagt […]
Solche Lautwiederholungen
(Ernst 1994)
wie in spiele – spielen – viele
erinnern natürlich an Gedichte
wie Ernst Jandls ‚ottos mops‘ von 1970, aber auch an die ‚Wiener Gruppe‘:
Konrad Bayer:
franz war. war franz? franz. war. wahr. war wahr. wirr. wir. franz wir! wir franz. ihr. franz war wirr. war franz irr? wirr warr.
Die Selbstverweise auf kindliche Strukturen im ‚Kommissar‘ wurden schon erwähnt. In dieselbe Kerbe schlägt der Vergleich von Straßenschlachten und Unterdrückung mit der ‚Märchenwelt‘ in ‚Helden von heute‘:
Falco:
[…] ah, was die ordnung anbelangt hat sich alles gott sei dank fast wie ganz von selbst ergeben denn die starke hand siegt eben hält die märchenwelt beisammen und die räuber sind gefangen, aha […]
Darin mischt sich auch gesellschaftliche Kritik, wie wir sie schon in ‚Ganz Wien‘ kennengelernt haben.
Sprachspielerische Elemente, die mit Reimen, Versmaßen, Wortbildungen u. dgl. spielen (vgl. dazu Ernst 1994), finden sich auch bei Falco. ‚Panama‘ etwa wird in ‚Hinter uns die Sintflut‘ auf der Zweitsilbe betont (‚Panáma‘ statt ‚Pánama‘), damit offenbar ein Konnex mit dem vorangehen ‚pyjama‘ hergestellt wird.
Falco:
[…] die sonne scheint mir auf den bauch, das soll sie auch, ich seh darin kein drama die neue heimat rief nach mir, ich flog ohne pyjama nach panama […]
Solche Effekte sind in literarischen Texten der 1960er und 1970er zuhauf zu finden, nicht nur bei Ernst Jandl, sondern auch z.B. bei Konrad Bayer (‚dahlien‘ – ‚bezahlien‘) und bei Wolfgang Bauer (‚Messerl‘ – ‚besserl‘):
Konrad Bayer:
[…] rosen, rosen, rosen blühn auf deinem neuen kleid. rosen, rosen, rosen ätze ich in manchen leib, aber dahlien, du süsse, duften sanft, wie engelsfüsse. also bleibe bei den dahlien, sonst musst rosen du bezahlien. aber rosen kosten blut, enden früh das junge leben. siehe solches scheint nicht gut, drum will dahlien ich dir geben. […]
Wolfgang Bauer:
Birgit (entdeckt auf einem schmutzigen Teller ein Küchenmesser, nimmt es in die Hand) Joe: Mit dem Messerl gehts besserl! (Bauer 2014: Schlussszene)
Direkte Referenz erweist Falco seinem Vorbild Ernst Jandl, indem er dessen ‚von zeiten‘ in einer Hommage als ‚Ein Tag‘ auf
Ernst Jandl:
sein das heuten tag sein es ein scheißen tag sein das gestern tag sein es gewesen ein scheißen tag ebenfalz kommen das morgen tag sein es werden ein scheißentag ebenfalz und so es sein aufbauen sich der scheißen woch und aus dem scheißen woch und dem scheißen woch so es sein aufbauen sich der scheißen april und es sein anhängen sich der scheißen mai und es sein anhängen sich der scheißen juni scheißen juli august etten zetteren so es sein aufbauen sich der scheißen jahr und auf allen vieren der scheißen schalten jahr und haben jeden der scheißen jahr darauf einen nummeron neunzehnscheißhundertsiebenundsiebzigscheiß scheißneunzehnhundertscheißachtundscheißsiebzigscheiß so es sein aufbauen sich der scheißen leben schrittenweizen hären von den den geburten und sein es doch wahrlich zum tot-scheißen
Falco:
[…] using samples from poems which falco left on ide’s telephone answering machine, and poems which ide left on falco’s. paraphrase to ernst jandl’s poem „von zeiten“ (from: ernst jandl: die bearbeitung der mütze, darmstadt und neuwied 1981. jandl’s original lines, to which the refrain is related are: »sein das heuten tag / sein es ein scheissen tag«) textmontage, sampling: christian ide hintze that’s, ah, gonna be a very correct, ah answering system, and this is hans hölzel and this is gonna be a, ein heutetag, and this is gonna be a, ein scheißetag sei das ein heutetag, sei das ein scheißetag sei das ein heutetag, sei das ein tag sei das ein heutetag, sei das ein scheißetag sei das ein heutetag, sei das ein scheiß […]
Falco erweist sich damit als profunder Kenner der literarischen Avantgarde und weiß sein Wissen auch in anspruchsvollen Texten bereits in seinem Erstling
Wie schon erwähnt, bestanden zwischen einzelnen Gruppen und Personen der damaligen Wiener Kulturszene zahlreiche Verflechtungen, die nicht nur zu gegenseitigen musikalischen Einflüssen und Hochleistungen, sondern auch zu ‚Frotzeleien‘ und zu scherzhaftem Austausch führten. Wenn man die kabarettistischen und satirischen Einflüsse bedenkt, wird es auch verständlich, dass die kollegiale Parodie und die Selbstparodie stets gegenwärtig waren. Bei Falco äußert sich dies einerseits in einer selbstironischen, über den Dingen stehenden Attitude, andererseits zu einer Haltung, die von jenen, die das Künstliche an der Kunstfigur Falco nicht mitbekamen, als Arroganz ausgelegt wurde.
Falco:
[…] wenn ich heute noch am leben wär ich könnt bezeugen, wie es wirklich war […] ich hätte andre pläne wohl gefaßt oder auch nicht
Ein Meisterstück ironische Selbstreflexion liegt in Georg Danzers ‚Doppelgänger‘
von 1986 vor, in dem das lyrische Ich, das eindeutig mit Danzer selbst
identifiziert wird, von einem Sänger berichtet, der sich als Danzer ausgibt und
vom Publikum auch als dieser akzeptiert wird, wo i überhaupt ka
Ähnlichkeit erkennen kann
:
Georg Danzer:
[…] und auf des hinauf bin i emigriert weu mir diese stadt ganz afoch zu gefährlich wird und wann mich wer sicht, sei er sich gewiss dass des nua mei doppelgänger is […]
Liebevoll gemeinte bis kritische Seitenhiebe finden sich in den Produktionen zuhauf (man vgl. z.B. Abb. 1). Auf
Ein besonderer Fall trat 1986 ein, als die EAV in der so genannten Waldheim-Affäre das Spottlied ‚Wann man géh’n muss, wann man géh’n muss‘ (auf die Melodie von ‚Amadéus, Amadeús‘) über die Musik von ‚Rock Me Amadeus‘ legte. Falco und sein Management mussten damit wohl einverstanden gewesen sein, sonst hätte es rechtliche Konsequenzen gegeben. Von Waldheim selbst kamen jedenfalls Klagsdrohungen gegen die EAV (die dann aber nicht weiterverfolgt wurden).
Falco:
rock me, rock me, rock me, rock me, [Hallo Freunde! Alles Leinwand?] amadeus do it, do it, do it, do it [Na wann net, dann net!] ey ey rock it up, up to the top [Rock me!] er war ein punker und er lebte in der großen stadt es war in wien, war vienna wo er alles tat er hatte schulden, denn er trank doch ihn liebten alle frauen und jede rief: »well, come and rock me, amadeus« er war superstar er war populär er war so exaltiert because er hatte flair er war ein virtuose war ein rockidol und alles rief: »well, come and rock me, amadeus« amadeus, amadeus (…) come and rock me, amadeus (…) es war um siebzehnhundertachtzig [Es war 1985] und es war in wien [und es war in Wien,] no plastic money anymore [Ein großer Teil der Österreicher wählte ihn.] die banken gegen ihn [Er war ein Virtuose, war ein Diplomat.] woher die schulden kamen [Und seitdem er Präsident ist,] war wohl jedermann bekannt [Kennt ein jeder unser’n Staat.] er war ein mann der frauen frauen liebten seinen punk [Rock me Kurti!] er war superstar er war so populär [Jedoch im Ausland ist der Kurti nicht sehr populär,] er war zu exaltiert [Because er kann si net erinnern,] genau das war sein flair [Ja, das ist sein Flair.] er war ein virtuose [Unser Land ist unten durch,] war ein rockidol [Unser Image ist beschissen,] und alles ruft noch heute: [Und schon heute rufen viele,] »come and rock me, amadeus« [Man muss wissen, man muss wissen:] amadeus, amadeus [Wann ma gehn muss, wann ma geh’n muss...] come and rock me, amadeus [Man muß wissen, wann ma geh’n muß!]
Die Jahre 1978 (dem musikalischen Einstieg Johann Hölzels) bis 1982 (dem Erscheinen von Falcos erster LP