„The Hate U Give“: Die Aufdeckung von systematischem Rassismus und Weißsein in Konfrontation mit dem hegemonischen Zentrum

Autor/innen

  • Sandra Tausel

Schlagworte:

systemische, rassisierte (Polizei-)Gewalt, Weißheit und Ethnozentrismus, Blickwinkel marginalisierter junger Erwachsener

Abstract

Tupac Shakurs Tattoo THUG LIFE, ein Akronym für die Phrase „The Hate U Give Little Infants Fucks Everybody“, dient als Titel für Angie Thomas’ Debütroman für junge Erwachsene mit dem Titel The Hate U Give. Die raffinierte Interpretation des Begriffs durch den Rapper umreißt gleichzeitig das zentrale Thema des Textes: Die Erforschung der Auswirkungen von systemischem Rassismus auf die Erziehung und Sozialisierung schwarzer Kinder und in der Folge auf die Gesellschaft als Ganzes. Starr Carter, die sechzehnjährige Protagonistin, erzählt, wie sich ihr Leben entwickelt, nachdem sie als einzige Zeugin mit ansehen hat müssen, wie ihr Freund Khalil von einem weißen Polizisten erschossen wird. Die Erzählung konfrontiert Formen des systemischen Rassismus wie Polizeibrutalität, einseitige Mediendarstellungen und gegen Starr und ihre Community (Garden Heights) gerichtete Mikroaggressionen. Durch Starrs Perspektive setzt sich The Hate U Give mit Rassismus und Marginalisierung auseinander, indem es das anbietet, was Rudine Sims Bishop (1990) „Mirrors, Windows and Sliding Glass Doors“ genannt hat. Diese Konzepte ermöglichen die Reflexion vertrauter, aber auch neuer Sichtweisen und eine Auseinandersetzung mit der Darstellung solcher fiktionaler Welten. Der einfühlsame und aktuelle Roman zeigt Starr in ihrer schwarzen Community und in dem fast ausschließlich weißen Kontext ihrer privaten High School. Wie die junge schwarze US-Amerikanerin diese Räume bereist, lässt sich mit den Konzepten der „double consciousness“ (DuBois) und der „triple consciousness“ (Welang) erklären, und Starr beschreibt den Prozess als das „Umlegen eines Schalters in [ihrem] Gehirn“. Starrs dreifache Marginalisierung erfordert eine ausgeklügelte Form des sprachlichen und kulturellen Code-Switching in Abhängigkeit von ihrer jeweiligen Umgebung und ihren Gesprächspartner*innen. Das Trauma nach Khalils Ermordung rückt Starrs Auseinandersetzung mit Race und den dazugehörigen Stereotypen in den Vordergrund. Gleichzeitig wird sie zu einer Fürsprecherin für die Black Lives Matter-Bewegung, wodurch der Roman seiner jugendlichen und erwachsenen Leser*innenschaft auf empathische Weise Möglichkeiten für Reflexion und Verständnis anbietet. The Hate U Give eignet sich für eine Analyse der rassistischen Strukturen und Stereotypen, mit denen (junge) schwarze Menschen im US-amerikanischen Kontext konfrontiert sind und die oft zu Ausgrenzung, Diskriminierung und Gewalt führen. Gleichsam sind es diese Themen, die Thomas’ Roman für junge Erwachsene eine unheimliche Unmittelbarkeit verleihen. 

Autor/innen-Biografie

Sandra Tausel

Sandra Tausel, BA, BA, MA, geb. 1990, BA English and American Studies, BA Germanistik und Joint Degree MA in English and American Studies, Karl-Franzens-Universität Graz; seit Sept. 2019 Dissertantin und Universitätsassistentin, Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, Schwerpunkte: Kinder-und Jugendliteratur, Feminismus- und Gender Studies. 

Zusätzliche Dateien

Veröffentlicht

2022-03-29