Konzept
Translationsgeschichte hat Konjunktur: Seit einigen Jahren ist ein zunehmendes Interesse seitens unterschiedlicher Disziplinen wie z.B. der Translationswissenschaft, Literaturwissenschaft, Wissensgeschichte oder den Transfer Studies an der historischen Betrachtung von Translationsphänomenen zu verzeichnen. Dieses Interesse hat zwar zu einer erstaunlichen Produktivität geführt, die sich in der Vielzahl und Vielfalt einzelner ‚Fallstudien‘ manifestiert. Doch gleichzeitig läuft die Forschung Gefahr, ob der rasanten Akkumulation empirischer Daten, die Möglichkeit eines zusammenfassenden und verallgemeinernden Blicks aufs ‚Ganze‘ zu verlieren.
Das Potential der Translationsgeschichte ist enorm: Ein noch weitgehend unerschlossenes und unbearbeitetes Gebiet ‚rohen‘ Materials, das in transkultureller Perspektivierung neue Einsichten in Transferprozesse in Aussicht stellt, die sich in den unterschiedlichsten Zusammenhängen vollziehen, so etwa in der Geschichte des Wissens und der Wissenschaft, in der Geschichte von Literatur(en) und Sprache(n) sowie der Geschichte im Allgemeinen. Allerdings fehlt es ihr bisher noch an systematischen Ansätzen, kritisch reflektierten methodischen Zugängen und einer gemeinsamen (translationswissenschaftlich fundierten) Perspektive.
Das Programm dieser Zeitschrift, das sich im Namen Chronotopos widerspiegelt, reagiert auf diese Schieflage durch die Berücksichtigung unterschiedlicher Ebenen: Zum einen geht es um die wissenschaftliche Thematisierung der Historizität translatorischer Ereignisse, d. h. um die Explikation ihrer zeitlichen und (darin) räumlichen Dimensionen. Zum anderen um die Reflexion der (narrativen) Struktur translationsgeschichtlicher Darstellungen translatorischer Ereignisse.
Die Themenschwerpunkte von Chronotopos lauten daher:
1) Schauplätze: Die raum-zeitliche Situierung translatorischer Ereignisse ist eine notwendige Voraussetzung, um ahistorische Generalisierungen zu verhindern.
2) Akteure: Die Analyse der Handlungsweisen und räumlichen Bewegungen (vor allem) von Translatoren gehört bereits zu den Hauptinteressen translationswissenschaftlicher Forschung und stellt auch für die Translationsgeschichte ein zentrales Anliegen dar (vgl. z.B. www.uelex.de).
3) Narration: Aus narrativer Sicht ist es wichtig, die translationshistorisch relevanten zeitlichen und räumlichen Einheiten zu bestimmen. Eine transkulturelle oder transnationale Perspektive auf Geschichte verspricht gegenüber der klassischen Historiographie neue Erkenntnisse, insofern Translationsereignisse sich grundsätzlich in mehr als nur einem der traditionellen nationalen oder kulturellen Räume abspielen. Transkulturelle Kategorien könnten sich als allgemeiner Bezugsrahmen für eine noch ausstehende Kulturgeschichte der Translation erweisen.
4) Zeit: Welche Rolle spielen der Begriff der Zeit bzw. zeitbasierte Kategorien für eine transkulturell angelegte Translationsgeschichte? Ist es sinnvoll, auf Periodisierungen und Einteilungen der Geschichte zurückzugreifen?
Chronotopos lädt sowohl TranslationswissenschaftlerInnen als auch VertreterInnen anderer Disziplinen dazu ein, das oben genannte translationsgeschichtliche Themenfeld zu bearbeiten. Die Zeitschrift wird ausschließlich online in einem open-access-Format veröffentlicht, um die Idee, dass wissenschaftliche Forschung eine soziale Handlung darstellt, die kostenlos zugänglich und transparent ist, in die Tat umzusetzen. Alle Chronotopos-Publikationen werden einem double-blind Reviewverfahren unterzogen. Dennoch wird ein direkter und persönlicher Austausch zwischen Autor und Begutachter auf freiwilliger Basis ermutigt, um eine fruchtbare Diskussion zu ermöglichen, die den Reviewvorgang verbessert.