Arbeit am Archiv

Heimrad Bäckers nachschrift

Autor/innen

  • Sophie Liepold

DOI:

https://doi.org/10.48646/ur.20230102

Schlagworte:

Archive, Heimrad Bäcker, nachschrift, Nationalsozialismus

Abstract

In den beiden Bänden der nachschrift, erschienen 1986 und 1997, montiert der österreichische Autor Heimrad Bäcker verschiedene Schriftzeugnisse des nationalsozialistischen Regimes, kombiniert diese mit Zeugnissen von Opfern und Überlebenden des Nazi-Terrors und greift auf dessen historiographischen sowie juristischen Aufarbeitungen und Dokumentationen zurück. Zentral ist dabei die Schriftmacht der totalitären Bürokratie, die durch die Erstellung von Statistiken, Fahrplänen und Exekutionslisten über Leben und Tod entscheidet und durch Erlässe und Verlautbarungen die systematische Ausgrenzung bis hin zur Ermordung von Jüdinnen und Juden vorbereitet und realisiert. Bäcker arbeitet mit Hilfe von konkret-dokumentarischer Reproduktionstechnik an den von ihm gesammelten Texten, indem er sie verzeichnet, vervielfältigt und bearbeitet. Damit geht ein spezifisches Verständnis von Autorschaft einher, die sich nicht als schöpferisch, sondern als schreiber der nachschrift zeigt und immer auch eine Beschäftigung mit seiner eigenen biographischen Vergangenheit darstellt. Durch Bäckers Programm einer literarischen Sprachkritik wird nicht nur der Status der Quellen selbst ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt, sondern auch die Ubiquität bürokratischer Formen in der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen zur Disposition gestellt. Indem die nachschrift auch Zeugnisse der Opfer zitiert, führt sie das Archiv als lückenhaft ein und demonstriert, dass auch die literarische Arbeit am Archiv zwangsläufig fragmentarisch bleiben muss, wie in diesem Beitrag gezeigt werden soll.

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Veröffentlicht

2023-03-17