Die OeZG, die Frauen und der Feminismus – ein melancholischer Blick zurück

2021-10-12

Gabriella Hauch

Die OeZG hat eine Schwester. Im Gründungsjahr 1990 startete, ebenfalls von der Universität Wien ausgehend, „L’Homme. Zeitschrift für Feministische Geschichtswissenschaft“. Der programmatische Text der Philosophin Herta Nagl-Docekal „Feministische Geschichtswissenschaft – ein unverzichtbares Projekt“ (pdf) gab die Richtung vor und evozierte gleichzeitig eine seltsam anmutende Grenze zur OeZG. Das Editorial der Nummer 1 „Geschichte neu schreiben“ listete zwar akkurat die historischen Felder auf, aus denen die Akteur*innen gestartet waren, um die deutschsprachige Mainstream-Historiografie zum Tanzen zu bringen. Die Feministische beziehungsweise die Frauen- und Geschlechtergeschichte allerdings blieben ungenannt – obwohl gleichzeitig Herta Nagl-Docekal die einzige Frau im männlichen Gruppenbild OeZG war.

Diese Dichotomisierung in der überschaubaren sich als innovativ definierenden historischen Zunft Österreichs, hie ‚allgemeine‘, realiter androzentristische OeZG und dort dezidiert feministische „L’Homme“, wurde im sechsten Jahrgang der OeZG aufgebrochen. Ulrike Döcker, in der Zwischenzeit zweite Frau in der Herausgeber*innenschaft, und ich konzipierten den Band  „Frauen Geschlechter Geschichte“ (1995/2) und baten Edith Saurer, die „L’Homme“-Gründerin, und Nagl-Docekal zum – nach wie vor äußerst lesenswerten – Interview. Der erste Geschlechtergeschichte-Band der OeZG widmete sich den großen Perspektiven, denn 1995 schien es Zeit, „Bilanz zu ziehen“. Wir hinterfragten das schwesterliche ‚Wir‘, Institutionalisierung und Frauenförderung, thematisierten das Konzept Matriarchat, das Verhältnis von Marxismus und Feminismus und eine feministisch perspektivierte Geschichtswissenschaft. Es ging um Osteuropa, aber auch um Lateinamerika. Mich machte der Band zur OeZG-Herausgeberin – nun stand es drei zu 18. Allerdings verabschiedeten sich Herta Nagl-Docekal und Ulrike Döcker bald, und rund um die Jahrtausendwende war ich die einzige Historikerin im Team. Die Themenfelder rund um die heteronormativen Geschlechterverhältnisse allerdings blieben, z.B. „1848“. Revolution & Geschlecht (1998/4), und wurden auch von Kollegen offensiv bearbeitet, z.B. Homosexualitäten (1998/3).

Die Wende brachte das neue Jahrtausend. Mit Johanna Gehmacher und Maria Mesner kamen zwei explizite Geschlechterhistorikerinnen ins Herausgeber*innen-Team, später stießen Liz Harvey, Brigitte Studer, Kerstin S. Jobst, Regina Thumser-Wöhs, Claudia Kraft, Ellinor Forster und Ursula Mindler-Steiner, kürzer Hanna Hacker und Dorothea Nolde dazu. Die nunmehr geballte Frauen- und Geschlechtergeschichte-Expertise spiegelt sich seitdem in zahlreichen Beiträgen und Schwerpunktheften, ebenso wie im Geschlechterverhältnis in der Herausgeber*innenschaft: Zehn Kolleginnen stehen dreizehn Kollegen gegenüber. Das alles freut ungemein … we’ll never give up!