Wie ‚verspielt‘ ist die OeZG?
Andreas Enderlin-Mahr
Die Zukunft ist äußerst selten Teil des Forschungsbereichs von Historiker*innen; denn aus der Geschichte zu lernen, ist eine schwierige Aufgabe, und sie erlaubt auch keine konkreten Prognosen. Hingegen stellen Schnittstellen zwischen Vergangenheit und Gegenwart allzu häufig einen blinden Fleck dar. Konkret sind damit jene Kontaktpunkte gemeint, an denen Menschen mit Geschichte in Berührung kommen. Während die Geschichtswissenschaften insbesondere im Bereich der Fachdidaktik aktiv an der Vermittlung von Geschichte an Schüler*innen beteiligt sind, erfolgt die fachliche Auseinandersetzung mit modernen Medien teilweise zaghaft. Zu unerprobt sind die methodischen und theoretischen Rahmen, zu populär die Filme, Serien und Spiele, die historische Inhalte zum Unterhaltungsfeuerwerk machen. Doch der Blick auf aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen zeigt deutlich: Historiker*innen sind hinsichtlich der Förderung eines kritischen Umgangs mit Medien, die das Versprechen einer ‚erlebbaren Geschichte‘ geben, gefragter denn je.
Diese Aufgabe entspringt dem Umstand, dass Geschichte eine beliebte Marke in der Unterhaltungsindustrie darstellt. Insbesondere Videospiele machen sich den Wunsch der Spieler*innen nach virtuellen historischen Welten zunutze. Dabei folgen Entwicklerstudios und Publisher – die modernen Verleger – selten einem Bildungsauftrag, vielmehr stehen wirtschaftliche Interessen im Vordergrund. Die kritische Kontextualisierung und die Diskussion von historischen Inhalten in Videospielen benötigen somit die fachliche Expertise von Historiker*innen, die sich auf professionelle Weise dem Medium annähern. Dabei müssen vor allem Berührungsängste mit Videospielen als Träger von historisierenden Inhalten aus dem Weg geräumt werden. Dazu können neben Expert*innen , die selbst der Freizeitbeschäftigung des Spielens nachgehen, ebenso weniger ‚verspielte‘ Kolleg*innen über ihr Fachwissen einen Beitrag zum kritischen Umgang leisten.
Statt die Frage nach der ‚Verspieltheit‘ der OeZG zu stellen, scheint jene nach einem innovativen Ansatz, welchen die OeZG seit Beginn ihres Bestehens verfolgt, naheliegender. Schon 1991 zeigte der Beitrag von Peter Mänz (2/1991) über das frühe Kino, wie eine konstruktive Auseinandersetzung mit modernen Medien aussehen kann. Artikel über Musikvideos (4/1995) und die Wahrheitskonstruktion im Film (3/2013) sowie Bände zu den Themen Filme und Geschichte (4/1997) beziehungsweise Television und Geschichte (4/2001) schlossen daran an. Diesen innovativen Weg verfolgt die Zeitschrift 2022 mit dem Heft „Herrschaft und Gesellschaft im digitalen Spiel“ (2/2022) auch weiterhin und lädt zur konstruktiven Auseinandersetzung mit populären Medien ein.