Wie divers ist die OeZG?

2023-03-11

Lisa Maria Hofer

Diversität, ein allumfassender und gleichzeitig häufig verwässerter Begriff und nicht zuletzt ein Modewort unserer Gegenwart. Was versteht man darunter? Grundsätzlich werden damit verschiedenste Merkmale zusammengefasst, die entweder mit Privilegien oder auch mit Diskriminierungen verbunden sind. Denken wir an Geschlecht, die soziale Herkunft, körperliche und geistige Fähigkeiten, das Alter, die nationale/kulturelle Herkunft bzw. Migrationsbiografie (im Englischen race) oder auch gelebte Sexualitäten. Diese Aufzählung erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, soll aber die Breite des Feldes zeigen. Häufig werden diese Kategorien auch unter dem Terminus Intersektionalität (vgl. geplantes Themenheft 3/2024) zusammengefasst.

All diese genannten Merkmale können in historischen Forschungen operationalisiert werden und damit einen neuen Blickwinkel auf Sozialgeschichte ermöglichen. Sowohl qualitative als auch quantitative Auseinandersetzungen sind möglich und können die Geschichtswissenschaft um neue Perspektiven bereichern. Diversity als Schlagwort kommt in der OeZG bislang selten vor, wie diese Aufstellung zeigt.

diversity/Diversität: 7

gender/Geschlecht: 25

class/Klasse: 500

disability/Behinderung: 1

Alt*: 4

Kind*: 61

race: 10

Sexualität*: 44

Eine Recherche im Archiv der OeZG hat folgendes Bild ergeben: 500 Arbeiten enthalten das Buzzword class, was die lange und umfassende Forschungstradition zum Begriff zeigt: beispielsweise in der Analyse von Arbeitswelten, die wesentlich die soziale Klasse bestimmen.

Zum Terminus Geschlecht gab es nicht nur eine Reihe von Themenheften z.B. 6/1995 sondern insgesamt 25 Artikel, die mit dieser Kategorie arbeiten. Eine umfassende Reflexion zur Thematik dazu bietet der Blog-Beitrag von Gabriela Hauch.

Alter wurde ebenfalls in verschiedenen Bänden behandelt: Kindheit 25/2014 und Ruhestand 22/2011. Gleiches gilt für Sexualität 5/1994 bzw. Homosexualität 3/1998, 2/2018 und die Kategorie race 17/2006.

Vernachlässigt wurde bisher die Kategorie dis/ability bzw. Behinderung, was häufig mit einem Fehlen von Quellen begründet wird. Dieses Argument sollte jedoch vor einer kritischen Auseinandersetzung mit der Thematik nicht standhalten, denn letztlich kommt es dazu nicht nur auf den Quellenbestand, sondern auch auf die Fragestellung an, die Quellenbestände erschließen könnte. Mit dem Zunehmen der gesellschaftlichen Diskussion um Inklusion dürften sich jedoch auch hier die Vorzeichen verändern.

Wie verhält es sich nun mit der OeZG und dem Thema Diversität? Verschiedene Themenbereiche, die der Begriff subsumiert, werden in unterschiedlicher Ausprägung behandelt. Je nachdem, welche Schwerpunkte gesetzt werden, ist der Befund ein anderer. Auffällig ist ein Überhang der Kategorie class. Alle Untersuchungen sind ohne Zweifel wertvoll, um sich jedoch als divers bezeichnen zu können, dürfen in Zukunft auch andere Merkmale operationalisiert werden.

Lisa Maria Hofer ist Universitätsassistentin am Institut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der JKU Linz. Ihre Forschungsinteressen liegen in der historischen Intersektionalitätsforschung, disability history, deaf history und der historischen Bildungsgerechtigkeitsforschung.