Wie transnational ist die OeZG?

2020-11-30

Johanna Gehmacher

Österreich ist der Ort, von dem aus die OeZG gedacht und gemacht wird – auch wenn die Herausgeber*innenrunde längst international ist. Aber was heißt das, von Österreich aus zu sprechen? Mit den Ambivalenzen dieser Verortung beschäftigte sich ein Band, der 1996 die Millenniumsfeierlichkeiten des offiziellen Österreich zum Anlass nahm, (noch im generischen Maskulinum) nach Historikern als Konstrukteuren Österreichs (4/1996) zu fragen – ein gerade mal 120 Jahre altes Projekt, wie Gernot Heiss argumentierte. Vom ersten Band an positionierte sich die OeZG im Rahmen internationaler Debatten und Fragestellungen, wollte geschichtswissenschaftliche Ansätze im "globalen Kontext" (1/1990) zur Diskussion stellen, nahm "die Welt" in den Blick. Doch bedeutete das auch, dass transnationale Perspektiven, also Fragen nach Transfers und transnationalen Handlungsräumen, konsequent aufgenommen wurden? Erstmals in einem Titel aufgetaucht ist der Begriff 2006, im Band "Blackness, transnational" (4/2006), in dem Sabine Müller ausgehend vom Amerikanismus europäischer Gesellschaften und der damit verbundenen Ausblendung des Rassismus in den USA nach der Möglichkeit einer posthumanistischen Epistemologie fragte, die die "Materialität des Körpers" in einer neuen Weise denken und damit Rassialisierung in postnationalen und globalen Prozessen sichtbar zu machen vermochte. Sie argumentierte dabei, dass die historische Auseinandersetzung mit Blackness nur unter einer transnationalen Perspektive möglich sei.

Doch auch avant la lettre wurde transnational gedacht in der OeZG – nicht ganz zufällig etwa bei einem Thema, dessen grenzüberschreitende Dynamik sprichwörtlich ist, der Revolution. Und so argumentierte Nancy Hewitt im Band "'1848'. Revolution & Geschlecht" (4/1998), dass die Geschichte des Frauenaktivismus in den USA nicht ohne die Geschichte der (gescheiterten) Revolutionen in Europa zu denken sei. Mit der transatlantischen Migration der Revolutionsflüchtlinge ging, so argumentierte sie, ein für die Entstehung der Zivilsphäre in Amerika bedeutender Transfer von politischen Ideen und Erfahrungen einher. Transnationale Geschichte kann unterschiedliche Verbindungen und Transfers in den Blick nehmen – Ideen und Praktiken, aber auch in globalen Räumen zirkulierende Waren, wie sie im Band "Global Commodities" (3/2019) untersucht wurden, oder Individuen, die sich auf Reisen begeben, um religiöse oder politische Bewegungen voranzutreiben, wie sie in den Bänden "Politisch Reisen" (1/2011) und "Missionsräume" (2/2013) thematisiert wurden. Warenströme wie grenzüberschreitende Missionen erzeugen Biographien, in denen Migration ein bestimmender Faktor ist, lenken unseren Blick auf "mobile Leben". Einen konzeptionellen Vorschlag, wie über solche Lebensvollzüge in Bewegung historiographisch nachzudenken wäre, entwarf Levke Harders zuletzt im Band "Biographien und Migrationen" (3/2018). Sie plädierte dafür, mithilfe von "multiplen Biographien" Makro-, Meso- und Mikrogeschichte miteinander zu verbinden und die "Praktiken der Migrant*innen in ihrer Verschränkung mit lokalen, regionalen, nationalen oder globalen Kontexten" darzustellen. Die komplexen Perspektivierungen, die ein multidirektionaler Zugang zu Migration ermöglicht, zeigt nicht zuletzt der aktuelle Band "Migrationswege" (1/2020).