Gewalt und bürgerliches Subjekt beim „brutalen Naturalisten“ Franz Schamann
DOI:
https://doi.org/10.21243/mi-01-21-21Schlagworte:
Physische Gewalt, Symbolische Gewalt, AnalyseAbstract
Der aus Brünn stammende, ab 1902 in Wien wirkende Autor und Journalist Franz Schamann (1876–1909) wurde zu Lebzeiten und darüber hinaus einhellig als extremer Naturalist betrachtet. In der Tat finden sich in seinen Texten zahlreiche Repräsentationen von symbolischer sowie physischer Gewalt in (epochen-)typischerweise proletarischen bzw. armen ländlichen Milieus. Im Beitrag werden Schamanns frühe, in Brünn und Südmähren spielenden Texte analysiert: das Volksstück Liebe (1901) und sein erster Erzählband Mährische Geschichten (1902). Während in Liebe die Tötung als ein legitimer und selbst von bürgerlichen Institutionen sanktionierter Ausweg auf dem Weg zum idealisierten bürgerlichen Subjekt gewertet wird, sind die Figuren der Mährischen Geschichten in einem Netzwerk der Gewalt gefangen, das ihnen kaum andere als gewalttätige Handlungsoptionen offenlässt. Die breite Streuung von Funktionen der Gewalt in Schamanns Texten wird abschließend als Krisensymptom des bürgerlichen Subjekts (Andreas Reckwitz) kontextualisiert.
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