Digitale Medienbildung zwischen Erschöpfung, Klassismus und Dialog

Handlungsorientierte Perspektiven für die Primarstufe

Abstract

In diesem Essay wird untersucht, wie digitale Medienbildung in der Primarstufe unter den Bedingungen von Beschleunigung, Erschöpfung und klassistisch geprägten Vorannahmen emanzipatorisch gestaltet werden kann. Ausgangspunkt sind Erfahrungen aus der Hochschullehre und schulischer Praxis, die mit drei theoretischen Perspektiven verknüpft werden: Hartmut Rosas Theorie sozialer Beschleunigung und Resonanz, bell hooks’ Analyse von Klassismus und Stimme sowie Paulo Freires Konzept einer dialogischen Pädagogik.
Die Analyse zeigt, dass digitale Technologien nur scheinbar Entlastung schaffen, tatsächlich aber neue Anforderungen erzeugen. Resonanz eröffnet hier eine Haltung, die Beziehung und Sinnstiftung über Taktung stellt. Zugleich wird deutlich, dass Teilhabe nicht selbstverständlich ist, sondern von Machtverhältnissen abhängt. Besonders Kinder aus marginalisierten Gruppen benötigen Räume, in denen ihre Stimmen Gewicht erhalten, sei es durch Audioaufnahmen, Peer-Feedback oder kreative Medienprodukte. Freire verdeutlicht, dass digitale Medien nur dann befreiend wirken, wenn sie nicht als Übertragungsinstrumente dienen, sondern problemformulierendes Lernen und Dialog ermöglichen.
Als verbindende Metapher wird digitales Lernen als Tropfenprozess beschrieben. Resonanz bildet den Grund, Stimme ist der Impuls und Dialog die sich ausbreitenden Wellen. Entscheidend ist somit nicht die Auswahl einzelner Apps, sondern die Haltung der Lehrperson. Medienpädagogisches Handeln bedeutet in diesem Kontext, Lernräume so zu gestalten, dass Resonanz, Teilhabe und Dialog möglich werden. Nur dann kann digitale Bildung befreiend wirken, andernfalls verstärkt sie Beschleunigung, Anpassung und Entfremdung.